»In den USA machen sie wenigstens noch gute Filme mit Bezug zum Judentum!« höre ich mich noch sagen und dann lief »Nobody wants this« auf Netflix. Hervorragend die eigene Serien-Besprechung gespoilert.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Rabbi verliebt sich in Nichtjüdin (die häufiger als »Schickse« bezeichnet wird, als ob das noch ein Ding bei Menschen jünger als 70 ist). Rabbi könnte befördert werden. Konflikt. Liebe oder »Oberrabbiner«?
Natürlich kennen wir die Geschichte so (oder ähnlich) schon aus »Glauben ist alles« oder Noah Gordons »Der Rabbi«, deshalb stellt sich natürlich die Frage, was »Nobody wants this« besser macht. Die Antwort ist kurz: Überhaupt nichts.
Wie jüdisches Leben (hier ist das Reformjudentum im Fokus) dargestellt wird, lässt den Zuschauer zweifeln, ob das hier wirklich eine US-amerikanische Produktion ist. Der Rabbi spielt am Schabbat ein Basketball-Turnier mit seiner jüdischen Mannschaft, die Hawdalah besteht darin, sich einfach drei Sterne anzuschauen, der Rabbi geht am Freitagabend in die Bar und trägt Kippah nur in Ausnahmefällen. Werden überzeichnete Stereotype eingesetzt, dann wird durch die Figuren extra darauf hingewiesen: »Ah. Du arbeitest mit jüdischen Schuldgefühlen«. So funktioniert das gesamte Drehbuch. Nach dem Prinzip »Tell, don’t show«. Es lässt also den Protagonisten Noah Roklov (der Rabbi, um den es hier geht, gespielt von Adam Brody), davon erzählen, dass er seine Aufgabe liebt. Wir Zuschauer sehen das aber nicht. Was liebt er? Liebt der »Job« ihn? Es gibt einen Auszug aus einer Ansprache an die Gemeinde, die nicht gerade überzeugend oder originell ist und keinerlei Rückschlüsse auf seine Interaktion mit Menschen aus der Gemeinde zulässt. Ach so. Die Menschen aus der Gemeinde: Stellen ihm entweder ihre Töchter vor (richtig, in »Glauben ist alles« da haben wir identische Szenen) oder der Gemeindevorstand begegnet dem Rabbi im Sexshop. In welcher Welt kennt übrigens der Gemeinderabbiner die Frau des Gemeindevorsitzenden nicht? Hier war es aber für das Drehbuch und die Geschichte wichtig und deshalb kennt Rabbiner Roklov sie nicht. Obwohl es mehr als unglaubwürdig ist.
Drehbuch und die Leistung der Schauspieler geben keinen Hinweis darauf, warum sich Noah in Joanne verliebt. Joanne ist die besagte nichtjüdische Frau, die uns als »unkonventionell« verkauft werden soll – immerhin hostet sie mit ihrer Schwester einen »spicy« Podcast über Männerbegegnungen. Was macht die Magie zwischen den beiden aus? Was passiert da, außer, dass sie optisch ein schönes Paar sind oder sein sollen. Bei vielen Zuschauerinnen und Zuschauern scheint dieser Trick zu verfangen.
Die Figur der Joanne scheint einen sehr beschränkten Horizont zu haben. Einen Mann mit Bart hält sie für einen Rabbiner, sie hat keine Ahnung, was Schalom bedeutet oder was ein Rabbi so macht. Die Trennung von Noahs vorheriger (jüdischer) Freundin geschieht gleich zum Auftakt der Serie. Die Emotionen sind kaum oder nicht nachvollziehbar.
Die einzige »Figur« in der Serie ist der Bruder des Rabbiners. Er bekommt sogar eine kleine Seitengeschichte, die aber nicht richtig auserzählt wird.
Der Film ist perfekt für die Generation TikTok: Die Form benötigt eigentlich keinen Inhalt. Die beiden Hauptdarsteller sehen »cute« zusammen aus und sagen, sie hätten Gefühle füreinander. Das reicht aus für diese Formate. Alles bleibt an der Oberfläche. Wie in »Nobody wants this.«
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