In diesem Blog erschien schon lange kein Artikel mehr zu Gemeindepolitik. Tatsächlich haben wenige Auseinandersetzungen in Gemeinden richtige Wellen geschlagen. Zumindest keine, die überregional Beachtung fanden. Das hat Berlin geschafft. Kurz vor der letzten Gemeinderatswahl gab es diverse Änderungen, die, man ahnt es schon, die Menschen betrafen, die sich zur Wahl stellen wollten. Mitglieder ab dem 70. Lebensjahr durften nicht mehr antreten. Auch Personen, die ein Mandat einer jüdischen Organisation innehaben, durften nicht gewählt werden. Wer also bei Makkabi mitgestaltet, durfte nicht gewählt werden. Man würde meinen, etwas Erfahrung mit der Leitung einer jüdischen Organisation sei von Vorteil. Egal. Das Schiedsgericht des Zentralrats entschied jedenfalls, dass diese Änderungen wohl nicht in Ordnung seien. Der Vorstand der Gemeinde Berlin wies das zurück.

In dieser Woche (am 14. Januar) ging der Fall vor ein »weltliches« Gericht. Das Berliner Landgericht sollte den Fall klären. Geklagt hatte die ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde (und ihr Mann).

Bescheidwisser werden jetzt sagen: Wie ist das möglich?! Gemeindeinterna können nicht vor einem Gericht verhandelt werden – nur vor dem Schiedsgericht des Zentralrats. So ist es auch und das stellte das Landgericht auch so fest (siehe Bericht bei der Jüdischen Allgemeinen). Eigentlich ein »Anfängerfehler«. Es verwundert ein wenig, dass weder ein Anwalt davor gewarnt, noch die bisherige Vorsitzerfahrung den Blick dafür geschärft hat. Die »Zurückhaltung« der ordentlichen Gerichte im Hinblick auf die internen Angelegenheiten der jüdischen Gemeinden ist natürlich kein Zufall und auch keine Besonderheit der jüdischen Gemeinden. Das ist Bestandteil des deutschen Religionsverfassungsrechts. Das soll staatliche Neutralität und den Schutz religiöser Autonomie ausbalancieren. Das regelt Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung. Der Grundsatz ist also schon etwas älter.

Die Gerichte wollen sich folglich darauf beschränken zu prüfen, ob die Entscheidungen der Religionsgemeinschaften mit den fundamentalen Verfassungsprinzipien vereinbar und frei von Willkür sind (siehe etwa hier).

Und was nun? Das ist der schwierigste Punkt: Wenn das Schiedsgericht des Zentralrats nicht anerkannt wird und die Gerichte nicht zuständig sind, dann geht es einfach nicht weiter. Die Sachlage ändert sich nicht. In den USA würden Gemeindemitglieder einfach die Gemeinde wechseln und ihr Geld einer anderen geben. Die Vorstände würden hier aber darauf achten, dass so etwas nicht passiert. In Berlin müsste der Druck aus der Gemeinde selber kommen. Wie sich der Zentralrat in Zukunft dazu verhalten?. Wird er die Gemeinde länger sanktionieren? Allen wird klar sein, dass ein ignoriertes Schiedsgericht kein wirkungsvolles Instrument mehr ist.