Wer mag keine Sonderangebote? Im Discounterland ist doch alles, was man billig bekommen kann, sowieso gut. Leider greifen nur wenige zu: Die Sympathie jüdischer Menschen war nie günstiger zu haben als mit ein wenig grundlegender Empathie – nicht einmal Sympathie – und Ansichten, auf die sich zivilisierte Gesellschaften eigentlich leicht verständigen können: Menschen entführen, sie quälen und Vergewaltigungen sind keine Werkzeuge des Freiheitskampfes. Die Tötung alter Menschen und von Säuglingen ist keine zivilisatorische Option. Dass man sich anschließend unter oder hinter Zivilisten versteckt, ebenfalls nicht. Klingt nachvollziehbar? Ist es aber nicht. Deshalb ist die Sympathie so günstig zu haben: Es gibt sie im Überfluss, sie hat aber keine Abnehmer. Der Preis sinkt. Kaum jemand konnte sich auf die grundlegenden Ansichten herablassen.
Wo ein Markt entsteht, sind auch zwielichtige Anbieter nicht weit. Ein »wir sind solidarisch mit Dir« bieten Leute an, die vielleicht Juden auch nicht super finden, aber Muslime und den Islam noch weniger mögen. Aus der antizionistischen Lüge, der Staat Israel kämpfe gegen »den Islam« oder die »islamische Welt«, wurde das Fundament für eine »Solidaritätsbewegung« gegossen. Nennen wir sie die »Wutsolidarischen«. Und manchmal sind auch Jüdinnen und Juden reingefallen. Endlich zeigt sich jemand solidarisch! Dass es in Israel Menschen gibt, die politisch davon profitieren, macht das alles nicht besser.
Aber es gibt weitere Gestalten: »wir sind solidarisch mit Dir – aber vielleicht liegt es ja am Staat Israel, dass Du nicht gemocht wirst«. Eine weitere antizionistische Lüge, nämlich dass mit dem Auszug der Juden aus dem Staat Israel endlich Frieden in der Region, ja weltweit, einkehrt, begründete eine Bewegung. Jetzt können Jüdinnen und Juden endlich solidarisch mit anderen sein! Bonuspunkt: Leute mit der gleichen Meinung mögen einander meist. Juden meist aber dann doch nicht. Aber immerhin sind sie nützlich für die Öffentlichkeitsarbeit. »Sogar Juden…«.
Was ist jetzt mit denen, die weder davon überzeugt sind, dass man mit der Ablehnung anderer Probleme lösen kann, noch davon, dass die Ablehnung des Staates Israels der Pfad in eine goldene Zukunft ist? Jenen, denen Meron Mendel zu »links« und Ben Gwir zu »rechts« ist? Nennen wir die Person einfach den Bejnoni (das Buch Tanja nennt so den »Durchschnittsmenschen«). Er ist kein Abnehmer von Sympathie. Stattdessen bekommen er einfach mehr Hass. Die rechten Aktivisten klopfen jede Äußerung darauf ab, ob nicht vielleicht ein kleiner Antizionist dahintersteckt. Und ein Antizionist könnte jeder sein, für den Netanjahu nicht die politische Mitte ist. Der Philosoph Bernard-Henri Lévy, der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein, der Geschäftsführer der Anti-Defamation League Jonathan Greenblatt und Michel Friedman könnten so plötzlich zu Antizionisten erklärt werden. Warum? Sie alle haben ihre Teilnahme an einer »Antisemitismus-Konferenz« abgesagt, zu der der israelische Minister Amichai Chikli eingeladen hat. Eingeladen hat der aber auch Jordan Bardella (Rassemblement National), Vertreter der spanischen Vox, der ungarischen Fidesz und der Fratelli d’Italia. Der argentinische Präsident Javier Milei (der mit der Kettensäge) hatte Terminschwierigkeiten.
Und diejenigen, die sich nun hinter dem Buzzword »Genozid« versammeln? Sie sammeln Sympathiepunkte durch Auftritte auf Demonstrationen. Damit nicht genug! Es gibt die Möglichkeit, das Handeln der anderen zu regulieren! Indem man in den Sozialen Medien darauf »hinweist«, dass sie oder er noch nie etwas zum »Genozid« gesagt hätte und deshalb nicht »progressiv« sein könne. Zuletzt traf es einen Beitrag des Deutschlandfunks über die Rabbinatsanwärterin Helene Braun (hier der Beitrag des DLF bei instagram). Zusätzlich wurde dazu aufgerufen (instagram, hier), Menschen zu »melden«, die sich bisher nicht so geäußert haben, wie man das erwartet. Soll hier etwa sozialer Druck aufgebaut werden? Um noch mehr Sympathie einsammeln zu können?
Will der Bejnoni die Diskussion, bekommt er die Repression. Wie sind die Maßnahmen der Regierung Netanjahu einzuschätzen? Ist das zielführend? Der Bejnoni bedauert die Toten, weiß aber auch, wer dafür zur Verantwortung zu ziehen ist. Der Bejnoni wird nicht über die toten Menschen jubeln. Er will, dass die Geiseln zu ihren Familien zurückkehren und das Töten ein Ende findet. Deshalb wird der Bejnoni von den einen mit »Genozid« angeschrien und von den anderen mit dem Verdacht des Loyalitätsbruchs gelabelt.
Zurück in den Discounter: Statt zuzugreifen und Empathie zu zeigen, neigt die Öffentlichkeit dazu, sich den Schreihälsen zu beugen. Unangenehm, wenn öffentliche Gebäude beschmiert und beschädigt werden. Die Beschwichtigung der Demonstranten könnte von der Öffentlichkeit als guter Weg betrachtet werden. Das macht weniger Arbeit. Damit geben sie den Wutsolidarischen Auftrieb. »Schaut euch das an?! Wer nicht so ist wie wir, ist so wie die.«
Die Antwort darauf müsste lauten: Nein.
Ist das die verbreitete Antwort? Nein.
Und wohin jetzt mit der Sympathie?