Manchmal muss man Dinge bis zum Ende denken, um zu verstehen, um was es eigentlich geht.

Nehmen wir »Free Palestine« wörtlich und unterstellen, es geht nicht um eine Zwei-Staaten-Lösung. Jene Lösung, von der Amos Oz gesagt hat, es handele sich um zwei Wohnungen in einem Haus. Von dieser Lösung dürften sich beide Parteien gleichermaßen ungerecht behandelt fühlen und ein »Nebeneinander« scheint schon ein guter Schritt zu sein. Momentan ist diese Lösung weit weg, aber das ist hier nicht das Thema. Wer mit »Free Palestine« eine Zwei-Staaten-Lösung meint, hat verstanden, worum es eigentlich geht und wird Gewalt nicht als Weg zur Lösung verstehen.

Schauen wir uns Wege zur Erreichung der »Ein-Staat-Lösung« an. Zuweilen sieht man die Umrisse des heutigen Staates Israel (manchmal sogar mit den Golanhöhen) in den palästinensischen Nationalfarben, als Transparent, als Anhänger oder Aufnäher. Gemeint ist: Das ganze Land.

Wie soll es erreicht werden, dass das Land an »Palästinenser« übergeben wird?

Die Hamas-Lösung: Die Auslöschung der israelischen Bevölkerung. Die Hamas hat im Oktober 2023 demonstriert, wie sie sich die Übergabe des Landes »from the river to the sea – vom Jordan bis zum Mittelmeer« vorstellt: Frauen, Kinder, Männer, Alte werden umgebracht. Etwas mehr als sieben Millionen Menschen abgeschlachtet, verbrannt, vergraben oder ins Meer geworfen.

Die »nicht-so-ganz-definierte« Lösung: Irgendwie soll das Land übergeben werden.
Jüdinnen und Juden sollen wieder in die Länder gehen, aus denen ihre Vorfahren kamen. Das bedeutet, einige müssen im Land bleiben. Denn tatsächlich gab es immer eine jüdische Präsenz im Land Israel. Wie groß die Anzahl der Nachkommen derer ist, ist schwer zu beziffern. Würde man sie im Land dulden? Wohl kaum. Wo sollen sie also hin?

Die Jüdinnen und Juden, die aus den Ländern der arabischen Welt gewaltsam vertrieben wurden – wo sollen sie hin? Wird der Irak die Nachkommen »seiner« Jüdinnen und Juden wieder aufnehmen? Syrien? Der Libanon? Marokko? Ägypten? Wird der Besitz zurückerstattet, so wie man es heute von Israel erwartet, wenn es um die früheren Bewohner arabischer Dörfer geht?
In welches Land gehen die Nachkommen der Juden Polens? Die Territorien haben sich vollständig verschoben. Und was ist mit ihrem früheren Besitz? Wird der erstattet, für den Frieden in Nahost? Was zählt überhaupt als Herkunftsland? Das letzte Land, in dem sich die Vorfahren der heutigen Israelis befunden haben, also bevor sie nach Israel kamen? Noch weiter zurück? Dann wären wir wieder im Lande Israel. Die Nachkommen der Juden Schechems, das später Neapolis hieß, bis dann aus Neapolis die arabische Bezeichnung Nablus wurde, wo gehen die hin? Die Nachkommen der Juden Jerusalems? Wohin? Und wenn man für die jüdische Bevölkerung keine neue Bleibe findet? Dann sind wir wieder bei der »Hamas-Lösung«.

Was ist mit den anderen ethnischen und religiösen Minderheiten, die im Land Israel leben?

Verbleiben sie dort?

In den palästinensischen Autonomiegebieten geht die Zahl der Christen kontinuierlich stark zurück. Was wird wohl mit den Tscherkessen passieren? Was wird aus den Samaritanern? Wohin mit den (meist christlichen) Armeniern? Die Finnen? Die Situation von Minderheiten in den Staaten des Nahen Ostens ist, um es euphemistisch zu sagen, schwierig.

Um wieviel weniger sollten oder wollten Jüdinnen und Juden in einem solchen Land Minderheit sein? Die jüngsten Ereignisse zeigen, dass es einen Staat geben muss, in dem Jüdinnen und Juden für ihre eigene Sicherheit sorgen können – ohne auf Dritte oder deren Wohlwollen angewiesen zu sein.

Wer also die Forderung nach einem freien Staat formuliert, preist die letztendliche Konsquenz mit ein. Von Beginn an.