Liebe Leserin, lieber Leser. Nicht schummeln: Nennen Sie/nenn mir mal –bitte– spontan zwei Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille.
Sie geht »an Persönlichkeiten, Initiativen oder Einrichtungen, die sich um die Verständigung zwischen Christen und Juden verdient gemacht haben«, so beschreibt es die Wikipedia. Verliehen wird dieser Preis vom Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.
Wie groß war die mediale Aufmerksamkeit nach der Verleihung bisher? Die Kulturmagazine haben jetzt nicht gerade große Fotostrecken erstellt, es gab keine Sonderausgaben von Magazinen. Falls es sich um eine Autorin oder einen Autoren gehandelt hat, war es nicht gerade so, dass man den Buchhändlern die Werke aus den Händen gerissen hätte. Die Preisträger der Medaille sind meist Menschen (ja, es gibt gewichtige Ausnahmen wie Esther Schapira und Georg Hafner), die für etwas belohnt werden, was sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit getan haben. Wäre ich sehr gehässig, würde ich sagen, es ist das Klatschen für den Piloten als Preis. Der Preis ist nicht dotiert. Es gibt also nichts, außer einem guten Gefühl für diejenigen, die den Preis verleihen, für diejenigen, die den Preis erhalten und für diejenigen, die huldvoll zugegen sind. In Einzelfällen soll wohl die Bekanntheit des Preisträgers auf die Verleihenden zurückstrahlen. Man denke an Peter Maffay (wirklich!) oder Angela Merkel. Im aktuellen Jahr war es der Pianist Igor Levit. Keine voreiligen Schlüsse: Das ist alles gut so. In der christlich-jüdischen Bubble, die ihre eigenen Protagonisten und Nischen hat, etwa Andreas Nachama, ist das eine große Sache. Sich des eigenen Wirkens zu versichern, gehört einfach dazu. Aber es ist zugleich nicht so bewegend, dass es in den verschiedenen jüdischen Communitys Tagesgespräch ist, wer jetzt die genannte Medaille erhält.
Durch Jürgen Kaube von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung weiß ich nun, dass die nächsten Preisträger Meron Mendel und Saba-Nur Cheema sind. Sie schreiben gemeinsam für die, Überraschung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, über ihre jüdisch-muslimische Ehe. Die Geschichten sind keine »Culture-Clash« Geschichten, sondern eher kleine politische Betrachtungen zweier Menschen, die miteinander arbeiten und leben. Es ist nicht zu erwarten, dass sich eine Spannung aus diametralen Gegensätzen entwickelt. Das haben andere jüdisch-muslimische Ehen in Deutschland ihnen voraus. Gerade in diesen Tagen. Aber diese Partnerschaften hat niemand eingeladen, Kolumnen für große deutsche Zeitungen zu füllen.
Anlass für Jürgen Kaubes Artikel war die Tatsache, dass Josef Schuster (der Präsident des Zentralrates also) sich wohl verwundert darüber gezeigt haben muss, dass Meron Mendel den Preis erhalten solle. Auch davon erfuhr ich erst über den Artikel in der FAZ mit dem Titel »Josef Schusters Einlassungen sind konfus«. Anscheinend hatte die Süddeutsche Zeitung über einen Brief Josef Schusters an den Koordinierungsrat berichtet. Diese Meldung scheint keine Wellen geschlagen zu haben. Bis Kaube sie aufgriff und dem oder den Kolumnisten seines Blattes beisprang. Der Wortlaut von Schusters Brief wird nicht mitgeliefert (weder in der Süddeutschen, noch in der FAZ), deshalb ist nicht wirklich transparent, was Josef Schuster geschrieben haben könnte. Darauf einen Meinungsartikel fußen zu lassen, ist recht dünn. Schuster scheint sich dazu geäußert zu haben, dass Mendel keinesfalls eine repräsentative Meinung innerhalb der jüdischen Community vertrete und zielt damit wohl auf die politischen Stellungnahmen von Meron Mendel ab. Der wird jedoch nicht für seine politischen Äußerungen bepreist, sondern für die Kolumne von Saba-Nur Cheema und ihm. Für einige Menschen die Idealbesetzung: Ein linksorientierter Israeli mit einer muslimischen Frau. Oder wie ist der Preis sonst erklärbar, da die Kolumne ja nun keine spürbaren seismischen Wellen durch die deutsche Medienlandschaft geschickt hat? Vielleicht wäre also eine kritische Anmerkung an dieser Stelle doch angebracht: Könnte es sein, dass hier Vertreter der Mehrheitsgesellschaft indirekt mitteilen wollen, mit wem sie es halten? Öffentliche Jüdinnen und Juden als Schachfiguren von Menschen, die sich nicht direkt äußern wollen und deshalb, je nach Lage, diesen oder jenen »Öffentlichen Juden« in den Vordergrund stellen?
Nach dem 7. Oktober hätte man Mut und Courage auszeichnen können, denn die Zeiten sind hart für Jüdinnen und Juden in Deutschland. Vielleicht hätte der Preis an den einflussreichen christlichen Theologen gehen sollen, der nach dem 7. Oktober in der deutschen Öffentlichkeit zur Empathie mit Jüdinnen und Juden aufgerufen hat? Ach so. Den oder die gab es ja einfach nicht.
Und noch eines: Wie kommt Josef Schuster überhaupt dazu, sich ausgerechnet hier einzumischen? Das könnte man sich fragen. Die Antwort ist simpel und wird von Kaube unterschlagen: Josef Schuster ist Mitglied im Kuratorium des Koordinierungsrates. Wenn jemand aus dem Kuratorium seine Meinung nicht schreiben/sagen darf, wer dann?
Wenn etwas konfus ist, dann sind es die Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in der Süddeutschen. Sie versorgen ihre Leserinnen und Leser mit einzelnen Sätzen aus einem Brief und versuchen einen Skandal zu konstruieren, zu einem Preis, zu dem zuvor kaum jemand eine Meinung hatte. Wer hat davon nichts? Genau. Die jüdische Community. Die bleibt allein.