Nach dem großen Blogjubiläum geht es ganz normal weiter. Einige Themen stehen demnächst an (Cliffhänger), aber neben dem Bloggeburtstag sind noch andere Dinge passiert:

Moses bzw. Mosche – der Film

Mosche auf Netflix! Schon kurz vor Pessach ging die dreiteilige Mini-Serie »Testament: The Story of Moses« an den Start. Die Serie zeichnet das Leben von Mosche bis zum Auszug aus Ägypten nach. Die Serie stammt von Emre Şahin und Kelly McPherson von der türkisch-amerikanischen Produktionsfirma »Karga7 Productions«.

Overacting ist anscheinend hier Programm. Und Zweifel kommen bei den Figuren auch keine auf – weshalb sie vielleicht unfreiwillig naiv wirken. Mosche berichtet von seiner Begegnung und seinem Auftrag von G-tt und seine Gegenüber haben nicht die Spur von Zweifeln. G-tt hat zu Dir gesprochen? Na klar. Gehen wir los. In der Erzählung der Torah, die ja nicht sehr ausschweifend ist, mag das funktionieren. In einer verfilmten Geschichte könnte man etwas mehr erwarten.

Gleich die erste Folge dauert 81 Minuten. Sie betrachtet eingehend die Hebammen und ihre Bemühungen, die Geburt von Mosche zu verbergen. Eingeflochten ist auch ein wenig Material aus dem Midrasch. Rabbiner sprechen, christliche und muslimische Gelehrte ebenfalls. Und das ist auch genau richtig. Schwierig ist es, dass man nicht genau verorten kann, welche Person mit welchem Hintergrund spricht. Möglicherweise ist das Absicht. Könnte man gelten lassen. Tatsächlich aber fällt es einem schwer, die Positionen einzuordnen, wenn man sich ein Bild machen möchte, wer und auf welche Art und Weise Mosche betrachtet.

Vor dem Schilfmeer, Alle Rechte: Netflix

Neben Vertretern der Religionen kommen auch Expertinnen und Experten zu den Themen Ägyptologie und Umwelt der entsprechenden Zeit zum Zuge. Das ist ein Plus der Serie. Verbindet das nicht die Menschen miteinander? Die ägyptische Ägyptologin (sorry für diese Wortverbindung) referiert über den Pharao zu einem Thema, das letztendlich eine jüdische Figur behandelt, eine islamische Gelehrte erzählt etwas über das Leben von Mosche (Musa im Islam) und ein Rabbiner erzählt ebenfalls etwas dazu. Das muss einfach verbinden. Die Ägyptologin Monica Hanna scheint es jedenfalls nicht zu mehr Empathie geführt zu haben.

Ihr Kommentar zum 7. Oktober 2023 bei X?

»Sweet October :) «

Tweet von Monica Hanna

Bild mit dem Aussschnitt aus dem Film: alle Rechte bei Netflix

Synagogenführung? Lieber nicht!

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung erwähnt für die Stadt Gelsenkirchen (siehe hier), dass Lehrer Synagogenführungen mittlerweile absagen. Warum? Weil sie Angst vor antisemitischen Ausfällen ihrer Schüler haben. Wir haben also das, was gemeinhin als »Kippunkt« bezeichnet wird, längst überschritten.

Keinerlei Gegenwehr.
Nichts.

Das EDA-Magazin

»Jetzt kommt der wieder mit dem Chuzpe-Magazin!«
Das ist ja wohl auch nicht zu vermeiden, wenn wir über ein jüdisches Studierendenmagazin sprechen. Der Jüdische Studierendenverband (JSUD) gibt nämlich ein neues Magazin heraus. Es sieht so aus, als wäre die gegenwärtige Ausgabe bereits die zweite des Magazins EDA. Der Titel hat wohl keinen doppelten Boden, also ist keine Abkürzung mit einer Bedeutung. »Eda« steht im Hebräischen für eine organisierte Gruppe mit einer Struktur oder Identität, also jedenfalls in der Torah.

Die allerwichtigste Information: Das Magazin kann man hier herunterladen.

Die aktuelle Ausgabe hat 84 Seiten und enthält eine Vielzahl von Artikeln über die Situation seit dem 7. Oktober. Engagiert geschrieben und interessant. Sicher werden uns viele der Namen in Zukunft häufiger begegnen. Fast im Mittelpunkt steht das Instagram-Profil ruth__lol. Tatsächlich eine großartige Quelle jüdischer Memes – voller böser Kommentare zur Lage der jüdischen Community.

Schafft man es, diese Haltung in ein Magazin zu tragen?

Die Antwort lautet »Vielleicht nicht«. Denn trotz der guten Qualität der Texte kommt das Magazin (gefühlt) recht konventionell daher. Natürlich gibt es den einen oder anderen satirischen Beitrag, aber im Grunde eher harmlos, auch wenn vor »Chuzpe« gewarnt wird und das ist im Grunde schon eine »Red flag«. Personen, die über sich selber sagen, sie seien unkonventionell – das wissen wir alle – sind auf jeden Fall genau das nicht.

Hanna Veiler, die Präsidentin der JSUD, zitiert in ihrem Grusswort" (das klingt schon sehr offiziell) Rabbi Jonathan Sacks. Das ist sehr gut, man kann ihn nicht genug zitieren – aber letztendlich handelt es sich hier doch um ein Magazin von Studierenden für eine jüngere Zielgruppe? Wo sind die popkulturellen Bezüge? Wo ist der respektlose Umgang mit den Hierarchien? Ist da auch ein leichter Blick über die Schulter? Auf Leserinnen und Leser nicht nur aus der Community, sondern auch der Versuch, die große nichtjüdische Öffentlichkeit miteinzubeziehen?
Die Community weiß, wie der 7. Oktober alles geändert, die Welt kleiner, ungemütlicher, rauer, unfreundlicher, ja feindlicher gemacht hat. Es dürfte schwierig werden, mit beiden Zielgruppen zu kommunizieren und gerade jetzt muss es Räume für eine interne Kommunikation geben, in der alles gesagt, aber nichts erklärt werden muss. Aber möglicherweise war das gar nicht die Absicht, man ist aber irgendwie automatisch immer im Erklärmodus.

Dann, die publizistische Motorkontrollleuchte geht an: Es gibt – ernsthaft – unironisch einen Bereich »Jüdische Witze«?! Wie alt sind die Herausgeber? Was ist hier los?

ruth__lol hat eine Richtung vorgegeben und das Chuzpe-Magazin hat es auch. Sogar das Chuzpe-Blog setzte schon im November 2003 einen guten Ton. Es nannte sich »das härteste jüdische Blog zwischen Tel Aviv und New York« – ohne »Vorsicht, Satire« daneben zu schreiben. Dort herrschte ein rauer Ton, auch gegenüber Promis.
Damit wir nicht in den »Früher war alles besser« Modus verfallen, gehen wir ins Nachbarland!
In Österreich findet Noodnik einen schönen Ton (und einen smarten Titel). Alon Ishay hat einen fantastischen Artikel über »Kritische Theorie und Antisemitismus« geschrieben, ohne dabei getragen zu wirken oder zu signalisieren »jetzt wird es intellektuell«. Oder man schätzt den Ton des »Jewish Survival Guide to Dating.«.

Fazit: Reinschauen lohnt sich (also in beide Magazine). Der Ton muss vielleicht bei EDA noch gefunden werden.

Lexikon der Tiere in der Torah

In eigener Sache: Ein Lexikon der Tiere in der Torah – von Arow bis Ziege. Für die »Jüdische Allgemeine« habe ich versucht, einen möglichst aktuellen Stand abzubilden. Warum aktuell? Weil viele Übersetzungen heute gar nicht so klar sind und dennoch unkommentiert in den großen Übersetzungen stehen. Den gesamten Artikel gibt es hier.