Chabad im deutschsprachigen Raum vervollständigt sein Buchangebot. Es begann mit dem Buch Tanja, es folgten ein Siddur, Machsorim für Rosch haSchanah und Jom Kippur und nun (endlich) gibt es auch die Haggadah nach dem Nussach von Chabad in deutscher Übersetzung. Diese erschien in diesem Jahr sogar in zwei Ausführungen! Das scheint allerdings ein Zufall zu sein.
Eine von Miriam Magall (seligen Angedenkens) – nennen wir sie die »Berliner Ausgabe« und eine von Rabbiner Levi Sternglanz übersetzt, gedruckt in Basel. Nennen wir diese die »Sternglanz-Ausgabe« – das klingt ja auch freundlich. Eine »Basler Ausgabe« der Haggadah gibt es nämlich bereits von einem anderen Verlag (eine aschkenasiche Haggadah mit Transliteration, auch als »Haggadah Mismor LeToda« bekannt).
Da beide erst in letzter Zeit übersetzt wurden, sind die Übertragungen entsprechend zeitgemäß.
Beide Ausgaben sind in Farbe und enthalten einen breiten (gestalteten) Rand mit Hinweisen zum jeweiligen Inhalt (dazu später mehr). Orientierungspunkt war für beide Ausgaben offensichtlich eine Haggadah aus dem Kehot-Verlag. Die »Sternglanz-Ausgabe« ist tatsächlich eine deutschsprachige Variante dieser Haggadah. Die Berliner Ausgabe bringt etwas »mehr« mit. Aber schauen wir in die Details:

Details

Recht bekannt ist der Brauch, bei der Nennung der Plagen, Wein zu verschütten. Nach dem Brauch von Chabad macht man das offenbar direkt aus dem Becher. In der »Sternglanz Ausgabe« wird das ausführlich erklärt. Die »Berliner Ausgabe« setzt dies als bekannt voraus.

Die Berliner Ausgabe

Diese Ausgabe bringt den Originaltext, eine deutsche Übersetzung und eine Transliteration von Joshua Frank mit. Ungewöhnlich ist, dass die Texte und deren Übersetzungen untereinander stehen und nicht einander gegenüber oder nebeneinander. Das dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass die Transliteration gleichberechtigt Teil dieser Ausgabe ist. Eine Königslösung für diese gestalterische Aufgabe gibt es wohl derzeit nicht. Nebeneinander? Untereinander? Auf verschiedenen Seiten? Hier wurde eine Lösung konsequent verfolgt.

Berliner Ausgabe

Blick in die »Berliner Ausgabe«

Für diejenigen, die noch etwas Hilfe beim Text benötigen und eine Transliteration hilfreich finden, wäre diese Ausgabe dementsprechend die richtige Wahl. Die Gestaltung des hebräischen Textes orientiert sich an den Siddurim von Chabad und kommt dementsprechend traditionell daher.
Diese Ausgabe zeigt alle Bestandteile des Seders (Kadesch, Urchatz, Karpas etc.) auf dem Rand der Seite an und hebt den Teil hervor, der gerade gelesen wird. Ein Anhang präsentiert Chad Gadja und Echad Ani Jodea sowie einige andere »fröhliche Lieder«, den Kiddusch für Schabbat Chol haMoed, Hawdalah und Vorschriften für Pessach insgesamt. Ma Nischtana in jiddischer Sprache und ein Text des Lubawitscher Rebben runden diese Ausgabe ab.

Ein interessantes sprachliches Detail dürfte dem aufmerksamen Benutzer und der aufmerksamen Benutzerin erst im Kontrast mit anderen Siddurim oder Haggadot auffallen: Die Anweisungen sind zu einem großen Teil aktiv formuliert: »Nehmen Sie…«, »Berühren Sie…« und nicht passiv, wie es häufig der Fall ist: »an dieser Stelle nimmt man…«. Das mag ein Detail sein, aber diese Art der Ansprache wirkt auf den Leser anders, vielleicht weniger distanziert.

Die Haggadah wird als Paperback ausgeliefert und wurde auf robustem Papier gedruckt. Sie dürfte mehrere Einsätze unbeschadet überstehen.

Details in der Textabfolge der Berliner Ausgabe

Die Ausgabe ist über den Verlag Jüdisches erhältlich.

Die Sternglanz-Ausgabe

Diese Ausgabe hat, ganz klassisch, die Übersetzung auf der linken Seite und den Originaltext auf der rechten Seite des Buches – mit einigen Ausnahmen. Beim Kadesch geht ein hebräischer Teil voran – für die Übersetzung muss dann geblättert werden. Die Erklärungen sind recht ausführlich und deutlich. Die Gestaltung ist übersichtlich, strukturgebend und hochwertig.
Interessant ist, dass die bekannten Lieder, die nach dem Ende des Seders gesungen werden, nicht enthalten sind: Chad Gadja und Echad Ani Jodea. Dafür ebenfalls Ma Nischtana auf Jiddisch und ein Brief des Lubawitscher Rebben am Ende (einen anderen Brief findet man auch am Ende der Berliner Ausgabe). Einige Texte sind im Anhang in transliterierter Form zu finden, etwa der Kiddusch, Ma Nischtana oder Dajenu.
Auf dem Rand der Seite steht jeweils, in welche Stadium des Seders man sich befindet, also Kadesch, Urchatz, Karpas, Jachatz und so weiter.

Diese Haggadah ist und ist auf sehr feinem, schönen dünnen Papier gedruckt.

Dajenu

Blick in die »Sternglanz Ausgabe«

Wie eingangs beschrieben, ist diese Ausgabe eine deutsche Variante eines Buches von Kehot und ist auch in sieben weiteren Sprachen erhältlich (Beispiele unten): Russisch, Hebräisch (natürlich), Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch – mit identischer Seitenaufteilung. Für internationale Gruppen oder gerade für Chabad-Häuser ist das recht nützlich.

Kadesch

Diese Ausgabe ist für 10 Euro bei Books&Bagels erhältlich (hier).

Mit zugänglichen Büchern (sowohl gestalterisch, inhaltlich und logistisch) öffnet Chabad natürlich die Tür für weitere Interessenten. Jüdische Bücher in deutscher Sprache sind vielleicht doch ein Hinweis darauf, dass auch inhaltlich etwas passiert.