Synagoge in Potsdam, erbaut 1767

Da draußen gibt es immer noch Menschen, die trauen Jüdinnen und Juden alles zu. Wenn es nicht die Weltverschwörung ist, dann zumindest die Umvolkung. Letzteres klingt wie Umtopfung. Aber beim Umtopfen wird eine Pflanze einfach in einen größeren Topf gepflanzt — weil sie mehr Platz braucht. Im Prinzip also genau das, was die geistigen Väter derjenigen wollten, die heute eine Umvolkung befürchten. Da ging es um die Erweiterung des Lebensraums in den Osten. Es ist bekannt, dass diejenigen ausgerottet und vergessen werden sollten, denen sie alles zutrauten. Eine direkte Folge davon kann man in Potsdam besichtigen. Nämlich keine Synagoge.

Das ist die Vorgeschichte von keiner Synagoge in Potsdam – in in ihrer kürzesten Form.

Das nächste Kapitel

Im nächsten Kapitel, das können wir schon verraten, gibt es noch immer keine Synagoge. Es gibt Räume in denen gebetet wird, aber es gibt keine richtige Synagoge. Weil es in Potsdam sogar wieder Jüdinnen und Juden gibt (2018 hatte die Jüdische Gemeinde 414 Mitglieder), sollte dieser Umstand geändert werden. Im Jahr 2005 wurde beschlossen, eine Synagoge in Potsdam zu bauen. Das Land Brandenburg stiftete ein Grundstück im Herzen von Potsdam.
Und was geschah nur 16 Jahre später? Eine Eröffnung? Nicht ganz: Es wurde beschlossen, eine Synagoge zu bauen. Das ist selbst für deutsche Verhältnisse und deutsche _Über_planung ein sehr langsamer Prozess. Aber Moment, wurde das nicht schon einmal beschlossen?

Das dritte Kapitel

Ein Wettbewerb sollte den besten Entwurf für die neue Synagoge ermitteln. Im Oktober 2008 ging es los und dieses Vorgehen war sehr erfolgreich! Etwa 150 Architekturbüros nahmen an der ersten Runde des Wettbewerbs teil. Von diesen wurden wiederum 30 ausgewählt und 26 Büros legten konkrete Entwürfe vor. Schon 2009 stand der Sieger fest! Der erste Preis ging an das Berliner Architekturbüro Haberland. Das Projekt nimmt plötzlich konkrete Gestalt an.

Jetzt meldet sich der Potsdamer Dirigent Ud Joffe zu Wort. Er ist mit der Architektur nicht einverstanden. Das liegt nahe, eine Auswahl aus 150 Entwürfen ist dürftig. Wenig später meldet sich Rabbiner Nachum Presman zu Wort. Der geplante Bau entspräche nicht den halachischen Vorgaben. Andere orthodoxe Rabbiner widersprechen ihm und zeigen sich verwundert. Der Berliner Rabbiner Yitzchak Ehrenberg etwa. Aber weil die Jüdische Gemeinde und die Vertreter von Land und Stadt (eine Synagoge soll zeigen, dass man es noch einmal miteinander versuchen möchte) motiviert sind, wird am 1. Oktober 2010 dann einem überarbeitetem Entwurf die Baugenehmigung erteilt. Fünf Jahre also nach dem Entschluss, die Synagoge zu bauen. Alles gut? Natürlich nicht. 2011 dann wird die Architektur wieder kritisiert (taz-Artikel).

Der geplante Bau entfesselt Energie. Die Gemeindemitglieder geraten in Streit. Es gibt es in Potsdam nun vier kleine jüdische Gemeinden und alle haben die gleiche Ausrichtung. Alle nehmen für sich in Anspruch, orthodox zu sein. Jüdinnen und Juden mag man viel zutrauen, aber wer jemals auf einer Gemeindeversammlung war, oder Potsdam verfolgt hat, wird sich fragen, wie da die Weltverschwörung organisiert werden soll. Im Grunde sind Meinungsverschiedenheiten ein Motor für Fortschritt und Erkenntnisgewinn, aber nur, wenn man genau daran interessiert ist.

2020 kam dann eine neue Gruppe hinzu. Die Gemeinde »Kehilat Israel«, gegründet von Israelis, möchte auch mitspielen und meldet sich über die Medien zu Wort. Jetzt sind es fünf Gemeinden und der Bau scheint in die Ferne zu rücken.

Eine Lösung?

Spätestens jetzt war klar, es brauchte keinen Mediator mehr – jemand mit Verantwortungsbewusstsein musste konkrete Ansagen machen. Am 18. Februar 2021 traten Manja Schüle, Kulturministerin des Landes Brandenburg, Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, der Präsident der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) und der Berliner Architekt Haberland vor die Presse und verkündeten den Beschluss, dass die Synagoge gebaut werde. Die Regie sollten die ZWST und die Landesregierung übernehmen.Die Eröffnung sei für das Jahr 2024 geplant. Das ist ungewöhnlich, aber effektiv. Die ZWST regelt alles mit der Landesregierung und bringt das Projekt voran. In den ersten drei Jahren nach Fertigstellung, so der Plan, solle die ZWST als Treuhänderin die Trägerschaft des Zentrums übernehmen. Nach dieser Übergangszeit soll der Landesverband der jüdischen Gemeinden im Land Brandenburg die Synagoge und das Gemeindezentrum übernehmen.

Als wolle man die eigene Unkonstruktivität beweisen, veröffentlichen die Köpfe dreier Gemeinden (genannter Ud Joffe ist einer von ihnen) wenige Tage später eine Erklärung die sprachlich gleich die volle Eskalation sucht: »Es ist kein freudiger Tag gewesen, es ist eine Schande für dieses Land!« Die neue Regelung wird als »das Entmachtungsgesetz der Potsdamer jüdischen Gemeinden« bezeichnet. Man hätte da Änderungsvorschläge für die Architektur der Synagoge…

Die Chancen stehen gut, dass jetzt auch gebaut wird und vielleicht finden sich dann auch unter den Mitgliedern der fünf Gemeinden Menschen, die Interesse daran haben, die Synagoge und das Gemeindezentrum zu nutzen.