Wenn »Du« bestimmst, wie viel ein Mensch wert ist - was passiert, wenn »Deine« Einschätzung ist, dass der Wert nicht so hoch ist?
Das ist keine Frage, die fern liegt, denn die haben sich auf deutschem Boden schon Menschen gestellt und beschlossen, dass es durchaus wertloses Leben gibt. Dementsprechend war der Weg nicht weit, dieses Leben dann auch zu verhindern, oder Menschen das Leben zu nehmen und sie umzubringen. Für die Architekten dieses System dann letztendlich eine »rationale Entscheidung«. Nicht zufällig, ist die Würde des Menschen laut Grundgesetz unantastbar. Um das zu erkennen, muss man sich nicht einmal extrem intensiv mit der deutschen Geschichte auseinandersetzen, aber man ist dazu eingeladen, sich auch historisch mit der Eingangsfrage auseinanderzusetzen. Kann man sie heute so stellen?

Es dürfte den drei Buchreligionen gemeinsam sein, dass der Wert menschlichen Lebens unverhandelbar und unermesslich ist. Der Mensch ist beTzelem Elokim erschaffen, also nach dem Abbild/Vorlage G-ttes. Dementsprechend ist menschliches Leben zu erhalten. Wer sich mit den Halachot zu den grundsätzlichen Fragen des Lebens beschäftigt (Sterben, Tod, Sexualität, Geburt) wird sehen, dass dieses Prinzip über allem steht. Es hat zudem seinen Sinn, dass die Torah davon erzählt, dass die gesamte Menschheit auf ein (!) männlich-weibliches Wesen zurückgeht. Alle Menschen sind miteinander verwandt und dementsprechend gleich.

Dementsprechend ist es doch sehr verwunderlich, dass SAT1 für die Sendung »Big Brother« (ja, der Sender, der kurz vor dem 27. Januar mit »Entscheide Du, wer einen Stern verdient«geworben hat) deutschlandweit Plakate kleben kann, auf denen steht »Du bestimmst, wie viel ein Mensch wert ist.« Das ist, soweit ich das sehen kann, passiert, ohne öffentlichen Widerspruch zu ernten. Wenn etwas an den Grundfesten unserer religiösen Überzeugungen rüttelt, sind es ja wohl kaum die »Blasphemiker«, die Karikaturen über religiöse Themen zeichnen, oder Leute, die bestimmte Autoritäten oder Hierarchien nicht anerkennen. An den Grundfesten sägen markige Sprüche wie dieser hier. Oft plakatiert, wird schon etwas davon im Gedächtnis bleiben und so setzt sich schon die Frage im Hinterkopf fest, wie viel Geld wir bereit sind, für Paliativmedizin (zum Beispiel) auszugeben, wenn das individuelle Leben sowieso bald am Ende ist.

Auf der anderen Seite: Natürlich ist der Tabubruch kalkuliert, aber dennoch darf man die Diskussion darüber nicht Leuten überlassen, die nur noch mit Buzzwords arbeiten, um möglichst große Reichweite zu erzielen. Hier ist eine eindeutige Positionierung gefragt.
Warum passiert das nicht?