Ein Siddur als Begleiter

Siddurim, also Gebetbücher, habe ich mehr als eines. Viele von ihnen lassen »Siddur Sefat Emet«, den Siddur, der lange nahezu der einzige im deutschsprachigen Bereich war, tatsächlich antiquiert erscheinen. Sie sind einfacher zu verwenden und zeitgemäßer gestaltet. Neuere Siddurim enthalten sogar »mehr« Text, also Kommentare und Verweise auf Quellen. In einigen sind sogar Bakaschot abgedruckt, also »persönliche« Gebete.

Diese Ausgaben verwende ich auch gerne, aber einen Siddur trage ich »immer« mit mir herum. Die Kleinausgabe des »Siddur Sefat Emet«.
Noch gedruckt auf dünnem Papier (um das Jahr 1995 herum), sehr handlich, nicht zu dick. Es passt in jede Tasche und kann deshalb überallhin mitgenommen werden.
Bei einem Besuch des Castello di Gradara (in Italien) regnete es in Strömen. In der Außentasche des Rucksacks war der Siddur. Vollständig durchnässt. Im Zimmer wurde das Büchlein dann mit einem Föhn behandelt.
Auf einer anderen Reise stopfte ich eine Flasche Sherry in meinen Rucksack. Eigentlich gut eingerollt in Zeitungen und Papieren. Das Glas der Flasche war jedoch außergewöhnlich dünn. Erst als Menschen auf meinen tropfenden Rucksack zeigten, war klar, die Flasche war zerbrochen. Der Siddur war wieder vollständig durchnässt. Aber Tefillat haDerech das Gebet für die Reise konnte man immer sagen. Das Büchlein roch noch Monate danach nach Sherry, aber verklebte nicht vollständig. Ich würde sogar sagen, dass es heute noch ein wenig danach riecht.
An den Seiten erkennt man natürlich trotzdem, dass sie einmal nass geworden sind.
Für jeden Buchfreund vermutlich der totale Albtraum – aus meiner Sicht verleiht es dem Siddur einen eigenen Charakter. Weil das Büchlein eben auch in die Jackentasche passte, ging es mit auf freudige, aber auch einige traurige Ereignisse.

Irgendwann später habe ich mir die gleiche Ausgabe erneut bestellt. Aber siehe da. Das Papier war etwas anders. Das Buch roch anders und obwohl der Inhalt und die Größe identisch sind, nehme ich doch weiterhin das Original. Man kann es halt nicht einfach so austauschen, auch wenn ansonsten gerne auch andere Ausgaben verwendet. Es ist halt nicht mehr nur eine Wiedergabe von Texten, sondern etwas persönliches. Nicht nur Gegenstand, sondern irgendwie auch Teil von einem.

Natürlich hat auch der Einband stark gelitten und musste schon mehrfach vollkommen unprofessionell geklebt werden. Auch hier gilt: Wer sich mit der Restaurierung und Konservierung von Büchern auskennt, bekommt Schnappatmung. Vielleicht muss halt doch irgendwann ein anderer Einband her – aber das wiederum verändert das Büchlein. Schwierig.

Von Chajm

Chajm Guski ist nicht nur Autor dieses Blogs und Bewohner des Ruhrgebiets, sondern auch Herausgeber von talmud.de und Organisator des Minchah-Schiurs im Ruhrgebiet. Einige seiner Artikel gibt es nicht nur im Internet, sondern beispielsweise auch in der Jüdischen Allgemeinen. Über die Kontaktseite kann man Chajm eine Nachricht senden. Man kann/soll Chajm auch bei twitter folgen: @chajmke. Chajms Buch »Badatz!« 44 Geschichten, 44 zu tiefe Einblicke in den jüdischen Alltag, gibt es im Buchhandel und bei amazon. Sein Buch »Tzipporim: Judentum und Social Media« behandelt den jüdischen Umgang mit den sozialen Medien. || Um per Mail über neue Beiträge informiert zu werden, bitte hier klicken

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