Auf talmud.de erscheinen seit einiger Zeit Kapitel aus der Mischne Tora(h), jenem Werk von Maimonides, in dem er die Mitzwot ausführlich auflistet und darstellt - die Liste der 613 Gebote und Verbote hat es zu einiger Bekanntheit gebracht. Das mag zunächst unspektakulär aussehen, doch das, was bisher erschien, ist so nirgends in deutscher Sprache verfügbar. Zwar ist die Übersetzung eine Überarbeitung eines Textes, der schon 1850 erschien, doch die Übersetzung wurde bisher nur in Teilen reproduziert. Schon gar nicht wurde sie digitalisiert. Unter Digitalisierung würde ich verstehen, dass ein Text verfügbar (durchsuch- und kopierbar) ist, also nicht nur als Fotografie einer Buchseite im Netz zur Verfügung steht. Das kann nur ein erster Schritt sein.

1850 erschien die Übersetzung in Sankt Petersburg und stammt von Leon (Arje-Leib) Mandelstam(m) (1819–1889). Mandelstam wurde in das russische Bildungsministerium »berufen«, für das er als »Experte« mit der Aufgabe betraut wurde, das jüdische Bildungssystem zu reformieren. Keine Aufgabe, die sich Mandelstam wirklich selber ausgesucht hat. Der vorherige Amtsinhaber verließ das Land. Im Zuge dieser Tätigkeit fertigte er eine Übersetzung der Mischne Torah in die deutsche Sprache an. In der gedruckten Fassung fielen Teile davon durch Zensur weg. Die Übersetzung ist historisch und scheint philologisch recht akkurat zu sein, auch wenn die Motivation für diese Übersetzung aus heutiger Zeit aufhorchen lässt. Mandelstam scheint seine Übersetzung zunächst für Bücherregale gefertigt zu haben. Dann wurden die Bücher digitalisiert und schließlich dem Vergessen entrissen. Igor Itkin hat die zensierten Teile wieder eingefügt und insbesondere das Kapitel Könige und Kriege — מלכים ומלחמות wieder eingefügt. In den meisten Druckausgaben ist dies entfernt worden. Durch Recherche und einen Bekannten in den USA, hat er sich dieses wegzensierte Kapitel beschafft. Es dürfte erstmals in deutscher Sprache im Netz erschienen sein.

Auch wenn also noch nicht alle Kapitel erschienen sind: Das, was bisher erschienen ist, würde schon mehrere Buchbände füllen. Es ist durchsuchbar, kopierbar und wiederverwendbar. Und es wird stetig verbessert. Den Beginn machten übrigens die »Hilchot Teschuwah«. An der Digitalisierung waren sieben Personen beteiligt.

Im Radio Deutschlandfunk Kultur

Deutschlandfunk Kultur hat am vergangenen Freitag über das Projekt berichtet, mit Igor Itkin und meiner Wenigkeit gesprochen. Igor erklärt, warum das Werk heute weiterhin wichtig ist und ich ganz kurz, warum jüdische Websites jüdische Inhalte weiterreichen sollten. Der Beitrag ist hier nachlesbar und auch zu hören.

Übrigens ist das Projekt weiterhin offen für jede Person, die dabei helfen möchte.