Die Idee kam ihnen irgendwann in der Synagoge. Rabbi Silberzwajg hatte wieder erzählt, dass der Talmud die Hundehaltung verbietet. Daniel meinte, genau das sei der Grund, warum ja wohl kaum eine deutsche Nichtjüdin für ihn zum Judentum übertreten würde: »Die werden doch hier nicht auf einen Hund verzichten? Überleg mal!? Auf Kinder vielleicht. Aber auf Hunde? Dabei sind das Probleme auf vier Pfoten. Eine Erfindung der Tierarzt-Lobby, damit die Leute mit sozialen Problemen abziehen können. Irgendwelche Impfungen, Operationen, Medikamente. Alles, weil die Viecher total überzüchtet sind. Und warum? Weil es den Leuten hier zu gut geht. Juden haben hier keine Hunde - nicht weil es halachisch verboten wäre – sondern weil wir noch richtige Probleme haben. Und Kinder. Oder beides. Oder eines, weil wir das andere haben.«

Schmulik hingegen war irritiert. Wegen Rabbi Silberzwajg. Weil der Rabbi selber einen Hund hatte. Daniel meinte, der Rabbi habe vertraglich vereinbart, dass der Hund dem Nachbarn gehörte und außerdem sei sein Name»Chatul« - also »Katze«. Es sei im Grunde also gar kein Hund und wenn er einer wäre, gehöre er immer noch den Nachbarn.

Alex schaltete sich ein: »Denkt mal an die Schmocks, die ihren Hunden gelbe Sterne aufgeklebt haben wegen des Maulkorbgesetzes. Weil es ja ›Rassismus‹ gegen Hunde gäbe.« Während Daniel und Schmulik noch nachdenklich nickten, hatte Alex die Sache schon vollständig durchdacht. »So bekommen wir auch das mit dem Antisemitismus in den Griff. Wir nehmen ihnen das allerwertvollste…« Daniel: »Wir führen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Autobahn ein?«

»Red keinen Blödsinn. Wir gehen an die Hunde!« Mit »wir« meinte Alex sich und ein paar Helfer. So wurde die Gruppe »Kelew« im Baruch-Goldstein-Gemeindezentrum gegründet. Natürlich war sie geheim. Aber effektiv.

In ihrer ersten Botschaft an die Öffentlichkeit hieß es, für jeden antisemitischen Vorfall, werde ein Hund in einem Wald in Rumänien ausgesetzt. Da könnte der Hund dann mit anderen Hunden spielen. Ohne die medizinische Versorgung, von der Menschen in anderen Gegenden der Welt nur träumen können. Ohne zahnfleischpflegende Leckerlies, kein Futter mit Forelle und Lachs, kein laktosefreies Hundeeis, ohne Therapiesitzung und Farbberatung. Da wären sie einfach nur Tiere in der Natur. Das war für viele Leser der Botschaft schon schwer zu ertragen.

Im zweiten Monat sollten es dann zwei Hunde pro Vorfall und im dritten Monat dann vier und im Folgemonat acht Hunde sein. Zunächst nahm das niemand so richtig ernst. Aber als dann an einem Tag 64 Hunde verschwanden, machte man sich dann doch Sorgen. Natürlich gab es »Experten«, die sich in den Medien »besorgt« zeigten und meinten, es gäbe »jüdischerseits nichts gegen Hunde einzuwenden« und Homestories über ihr Leben mit Hund machen ließen. Aber es hat funktioniert. Bei Pöbeleien in der U-Bahn sprangen Leute auf und warfen sich dazwischen: »Denkt doch an die Hunde! Macht doch keine Dummheiten!« Auf der Straße wurden Halbstarke von Anwohnern zur Ruhe gerufen. »Denkt an die Hunde!« hieß es überall. Die Anzahl der Vorfälle ging rasant zurück. Jetzt ging es um etwas! Sprayer wurden auf Hinterhöfen von Rentnern gestellt und gezwungen ihre antisemitischen Motive umgehend zu übermalen. Denkt doch an die Hunde! Friedhöfe mussten nicht mehr abgeschlossen werden.

Nur Hundehasser würden noch Hatemails schreiben. Und wer das war, das wussten schnell alle in der Nachbarschaft!

Schmulik war fast etwas traurig, dass das nur ein Hirngespinst von Daniel war, dem alten Hundehasser.