Zwei Dokumentationen

Jüdisches Leben: Zwischen Alltag und Angst?

Zwei Dokumentationen des WDR die zufällig kurz hintereinander veröffentlicht wurden und zufällig thematisch zusammengehören, denn das Thema des einen Videos zeigt die Auswirkungen auf das Thema des anderen.

Da wäre zunächst »Die dunkle Seite des deutschen Rap« (hier klicken, WDR). Die Doku zeigt, dass es Antisemitismus im deutschen Rap kein sehr neues Phänomen ist und weiter genährt wird – auch wenn die Protagonisten überzeugt sind (jedenfalls vor der Kamera), keine Antisemiten zu sein. Nur weil man meint, alle Juden seien reich? Nur weil man Jude für ein prima Schimpfwort hält? Umfassender hat sich bisher niemand damit auseinandergesetzt. Was nicht deutlich wird: Die Folgen auf viele jugendliche Hörer. Das sind diejenigen, die heute Schulhöfe in Höllen für jüdische Schüler verwandeln.

Womit wir bei der zweiten Doku sind:
»Jüdisches Leben: Zwischen Alltag und Angst?« zeigt den Alltag von Michael Rubinstein, dem Geschäftsführer des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Nordrhein und einiger Leute aus Düsseldorf. Die Dokumentation zeigt einen dialogbereiten Michael Rubinstein, jemanden der sich ehrlich bemüht, aber zuweilen vielleicht etwas zu optimistisch an die Geschichte herangeht. Nicht alle Probleme haben ihre Ursache darin, dass man Juden nicht kennen würde. Der Mörder von Mireille Knoll, jener Schoah-Überlebenden, die in Paris von ihrem Nachbarn getötet wurde, kannte sie seit seiner Kindheit. Aber das Bemühen ist bewundernswert. Der Dramaturgie der Doku ist vielleicht das seltsame Kippah-Experiment geschuldet, auf dass sich Rubinstein einlassen muss. Er soll mit einer Kippah durch Duisburg-Marxloh laufen und die Reaktionen der Passanten erfassen. Zum einen begleitet von der Kamera, zum anderen vom ehemaligen Vorsitzenden der örtlichen Ditib-Moschee. Es passiert – und das ist auch gut so – nichts. Niemand kann sagen oder vermuten, ob etwas ohne Kamera passiert wäre.

Zum Abschluss hier ein Track von SpongeBOZZ, jenem Rapper, der sich als jüdisch geoutet hat – nix für Leute, die etwas mit dem Wort Tzniut anfangen können. Alle anderen viel Spaß damit…

Von Chajm

Chajm Guski ist nicht nur Autor dieses Blogs und Bewohner des Ruhrgebiets, sondern auch Herausgeber von talmud.de und Organisator des Minchah-Schiurs im Ruhrgebiet. Einige seiner Artikel gibt es nicht nur im Internet, sondern beispielsweise auch in der Jüdischen Allgemeinen. Über die Kontaktseite kann man Chajm eine Nachricht senden. Man kann/soll Chajm auch bei twitter folgen: @chajmke. Chajms Buch »Badatz!« 44 Geschichten, 44 zu tiefe Einblicke in den jüdischen Alltag, gibt es im Buchhandel und bei amazon. Sein Buch »Tzipporim: Judentum und Social Media« behandelt den jüdischen Umgang mit den sozialen Medien. || Um per Mail über neue Beiträge informiert zu werden, bitte hier klicken

5 Kommentare

  1. Wer Fachmann erkennt sofort:
    Wer am Samstag bei Tageslicht mit Kippah in einer nicht-koscheren Metzgerei einkauft, kann nur Teil eines gestellten Experiments sein, ganz unabhängig von der Anwesenheit einer Kamera.

  2. http://www.hagalil.com/2018/05/antisemitismus-umfrage-2/#more-50406

    Antisemitismus: Umfrage unter europäischen Juden
    9. Mai 2018 – 24 Iyyar 5778

    Im Auftrag der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) wird derzeit eine europaweite Umfrage zu aktuellem Antisemitismus durchgeführt. Es geht darum, die Gedanken und Erfahrungen von Menschen zu hören, die in Deutschland leben, sich als Jude oder Jüdin sehen sowie 16 Jahre oder älter sind. Wenn dies auf Sie zutrifft, möchten wir Sie ausdrücklich dazu einladen, an der Umfrage teilzunehmen…

    Ihre Meinung zählt! Bitte klicken Sie hier http://www.eurojews.eu.

    Vermutlich erreichen Sie regelmäßig Einladungen zu verschiedensten Umfragen. Dennoch hoffen wir, …

  3. “Er soll mit einer Kippah durch Duisburg-Marxloh laufen und die Reaktionen der Passanten erfassen.”

    Davon rate ich dringend ab! Ich war vor ein paar Wochen beruflich in Berlin und habe mich bei der Gelegenheit als Gast zum Schabbes-G*ttesdienst angemeldet. War eigentlich gar nicht mal so schlecht; hatte ich als Levi sogar die zweite Aliyah bekommen. Beim Verlassen der Synagoge dann die etwas unangenehme “Verabschiedung” seitens zweier deutscher Passanten. Von der anderen Strassenseite hallte mir ein heiter froehliches “Juda verrecke” entgegen! Ich fand diesen Scherz(?) trotzdem unpassend und empoerend!

    Shalom
    Miles

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