Warteschlange vor dem Anne-Frank-Haus Warteschlange vor dem Anne-Frank-Haus

In Berlin trug ein junger Israeli eine Kippah, obwohl er kein Jude war. Anscheinend wollte er zeigen, dass man in Berlin gefahrlos eine Kippah tragen kann. Es kam anders (siehe hier) und er wurde verprügelt. Sein Video von der Tat ging buchstäblich um die Welt. Dass er kein Jude war, nahmen einige, wie etwa Jakob Augstein zum Anlass, dies als »Provokation« zu betrachten oder das anderweitig zu relativieren. Merke: wer auf die Straße mit Kippah tritt und es vielleicht nicht unbedingt notwendig ist, der »provoziert«. Dass sichtbares jüdisches Leben von einigen nicht geduldet werden will, nimmt man hin und versucht den Mob zu beruhigen, indem man jüdisches Leben noch weiter versteckt und zurückdrängt. Klar, es gibt gut geschützte Synagogen in einigen Stadtzentren. Aber das soll dann auch reichen. Wie so oft: Alle sind empört. Konkretes passiert nicht. Die Botschaft ist unterm Strich: Wir bedauern das. Schützen können wir euch nicht.

Eine Kippah machte auch in Amsterdam Schlagzeilen. Man könnte die zwei Ereignisse getrennt voneinander betrachten, sollte man aber nicht. Sie zeigen beispielhaft, wie man in Europa heute mit öffentlichen Zeichen jüdischen Lebens umgeht.

In Amsterdam ging es um das Anne-Frank-Haus.

Das Anne-Frank-Haus zählt bekanntlich zu DEN touristischen Hotspots in Amsterdam – dort schauen sich Besucher (2017 waren das knapp 1,2 Millionen) an, wie und wo sich ein jüdisches Mädchen mit seiner Familie versteckt hat. Das Haus zeigt in einem Museum auch in aller Kürze die Geschichte von Verfolgung und Ermordung der Juden in den Niederlanden und Europa.

Interessanterweise ist genau dieser Ort einer, an dem Angestellte ausdrücklich keine Kippah tragen dürfen. Das Nieuw Israëlietisch Weekblad (eine niederländische jüdische Wochenzeitung) berichtete in der letzten Woche (siehe hier) von Barry Vingerling. Die Geschichte geisterte danach durch einige englischsprachige jüdische Medien, allerdings etwas verkürzt.

Barry Vingerling arbeitete für das Anne-Frank-Haus. Er trug keine Kippah, als er sich dort vorstellte, wollte später jedoch eine tragen. Als strebsamer Angestellter frug er nach und bekam lange keine Antwort. Zwischendurch sprach er mit einem Beirat des Hauses, Rabbiner Menno ten Brink (liberal), der fand die schwarze Kappe des Anne-Frank-Hauses auch halachisch in Ordnung. Vingerling erhielt aber dennoch wochenlang keine Antwort durch die Leitung des Hauses bezüglich der Kippah. Fünf Wochen nach dem Gespräch mit Rabbiner ten Brink wurde er mutiger und half ein wenig nach. Er griff zur Kippah. Ein jüdisches Symbol in den Räumen, die an ein jüdisches Mädchen erinnern. Erst danach wird er dazu aufgefordert, keine Kippah mehr zu tragen. Das Haus möchte sich »so neutral wie möglich« zeigen und keine politischen und religiösen Botschaften präsentieren. Anscheinend soll sich niemand unwohl fühlen. Angesichts der Geschichte des Hauses erscheint das schwer vorstellbar, sich überhaupt neutral zu präsentieren zu können. Unsinnig, die Geschichte eines jüdischen Mädchens, einer jüdischen Familie, ja der gesamten jüdischen Bevölkerung erzählen zu wollen, ohne überhaupt diesen Aspekt zur Sprache bringen zu wollen. Dieser Ort kann keine neutrale Haltung zum Judentum haben.

Lange Zeit (bis April 2017) war übrigens auf dem Audioguide des Hauses keine iraelische Fahne zu sehen. Alle Sprachen wurden durch eine Fahne des jeweiligen Landes repräsentiert. Israel durch die hebräischen Buchstaben für »Iwrit«.

Wenn selbst große Organisationen in ihrem Bemühen, es allen rechtzumachen, eine defensive Haltung einnehmen, ist doch eigentlich klar, wohin diese Haltung zwangsläufig führen muss. Jüdinnen und Juden werden so lange ausgefadet, bis sie tatsächlich verschwinden.