Entwicklung der Mitgliederzahlen der Jüdischen Gemeinden in Deutschland

Die Anzahl der Gemeindemitglieder der Jüdischen Gemeinden in Deutschland sinkt kontinuierlich. Das habe ich kürzlich erst in Essen vorgestellt und auch skizziert, was nun zu unternehmen wäre (siehe hier). Nun hat die ZWST auch die Zahlen für das Jahr 2017 veröffentlicht.

Von 2016 auf das Jahr 2017 haben wir ungefähr 800 Gemeindemitglieder verloren. Wieder eine vollständige Gemeinde, wenn man so will. Ohne Zuwanderung hätte es noch schlechter ausgesehen. Im vergangenen Jahr kamen aus dem Ausland 1.088 Menschen hinzu. 760 aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und 328 aus anderen Ländern. Das ist eine interessante Entwicklung, denn die Zahl ist größer als in den letzten Jahren:

JahrEinwanderer (ehemalige Sowjetunion)
2010667
2011636
2012481
2013467
2014365
2015473
2016359
2017760

Von den 760 Einwanderern gingen 361 in den Landesverband Nordrhein. Hier scheint Düsseldorf einen Großteil dieser Menschen aufgenommen zu haben, denn die Gemeinde trotzt dem Trend und hat massiv an Mitgliedern gewonnen, 374 genau. Zum einen durch die Zuwanderung, zum anderen kann man sich fragen, ob hier die Eröffnung eines jüdischen Gymnasiums eine mögliche Ursache ist? Werfen wir also zuerst einen Blick auf die Gemeinde des Jahres:

Entwicklung Düsseldorf

Und hier sieht man den Zuwachs in nahezu allen Altersklassen:

Altersstruktur Düsseldorf 2016-2017

Alle anderen Entwicklungen sind nahezu alle etwas negativer als in den Vorjahren: Mehr Sterbefälle (obwohl die Gesamtzahl der Gemeindemitglieder kleiner ist), weniger Geburten und ein wenig mehr Austritte. Die Übertritte sind so wenig, dass sie an der Statistik nicht viel ändern.

JahrSterbefälleGeburten
20081038171
20111195212
20121282199
20131244250
20141330241
20151476277
20161498265
20171505251
JahrÜbertritteAustritte
200845433
201179449
201279404
201370418
201464527
201559422
201698412
201762425

Geburten und weniger fröhliche Ereignisse\

Die Statistik der ZWST hält auch fest, ob Mitglieder sich in andere Gemeinden verabschiedet haben. Auf der anderen Seite wird festgehalten, ob neue Mitglieder aus einer anderen Gemeinde kamen. Diese Zahl müsste sich so ungefähr die Waage halten - aber einige scheinen nicht anzukommen:

Zugänge und Abgänge in andere Gemeinden\

Werfen wir einen Blick auf die großen Städte und Gemeinden:

Berlin

Mitgliederstatistik Berlin

Die Anzahl der Gemeindemitglieder sinkt weiterhin.

JahrMitglieder
200810915
201010599
201110214
201210237
201310157
201410009
20169735
20179526

Frankfurt am Main

Frankfurt am Main - Mitgliederentwicklung

Interessant dürfte die zukünftige Entwicklung im Rahmen des weiteren Erstarkens des Stadt Frankfurt werden. Weitere große Unternehmen werden nach Frankfurt ziehen - die sicherlich auch jüdische Angestellte haben werden. Bisher sinkt die Zahl der Gemeindemitglieder.

JahrMitglieder
20086870
20106832
20116807
20126735
20136753
20146667
20166503
20176464

Köln

Mitgliederentwicklung Köln

Köln - hier liegen uns nur die Zahlen der Einheitsgemeinde vor, wie alle anderen liberalen Gemeinden, publiziert die örtliche liberale Gemeinde keine Mitgliederzahlen oder Statistiken. Der Wechsel zwischen den Gemeinden dürfte aber nicht groß ins Gewicht fallen.

JahrKöln
20084567
20104418
20114308
20124229
20134176
20144126
20164026
20173970

Hamburg

Gemeindeentwicklung Hamburg

Hamburg ist eine große, international ausgerichtete, Stadt. Die Gemeinde hingegen schrumpft leider auch hier.

JahrMitglieder
20082859
20102779
20112649
20122527
20132481
20142452
20162447
20172422

Neubauprojekte

In Baden-Baden (hier bereits erwähnt) soll eine neue Synagoge gebaut werden. Nun streitet man sich aktuell darüber, ob man die Synagoge in der Stadtmitte bauen möchte, oder verkehrsgünstig abseits vom Stadtkern. Die Gemeinde hatte 2016 720 Gemeindemitglieder, im Jahr 2012 waren es 736 in diesem Jahr sind es nur noch 644.

Altersverteilung Baden-Baden

Es ist offensichtlich, dass die Altersverteilung extrem unglücklich ist und wohin die Entwicklung in den nächsten 20 Jahren gehen wird.

Die Gemeinde Regensburg ist ebenfalls im Bau. Sie hatte 2016 999 Mitglieder. 2017 waren es 1.001.

Zukunft?

Überlegungen zu Schlussfolgerungen habe ich bereits hier angestellt - aber man kann es nicht häufig genug wiederholen - die Infrastruktur muss auch abwärts skalierbar sein, damit die Einrichtungen auch in fünf Jahren noch betrieben werden können. Ressourcen, sowohl menschliche, als auch finanzielle, müssen für Projekte eingesetzt werden, die sich in die Gemeinden hinein richten. Gemeinden in Großstädten werden sich vielleicht verstärkt um Jüdinnen und Juden bemühen, die zum Arbeiten in die jeweilige Stadt kommen. Das Judentum der Zukunft wird es nicht mehr in vielen Städten geben, vielmehr in wenigen Zentren in Deutschland. Mit Sicherheit wird es ein paar kleinere Gruppen mit starker inhaltlicher Orientierung geben, die dem Trend trotzen.

Die Statistik der ZWST gibt es hier, auf zwst.org.