Im September 2017 wurde recht deutlich, was diejenigen schon wussten, die das deutschsprachige jüdische Internet schon länger beobachteten: Das Projekt jewiki transportierte das Anliegen des »Besitzers« und nahezu einzigem Bearbeiter des Wikis. Eine Wahlempfehlung für die AfD wurde eingestellt. Es wurde aber auch danach geschaut, welche Inhalte sich denn nun mit jüdischen Themen beschäftigen. Das sind nicht so sehr viele. Viele Einträge (die meisten?) stammen aus der Wikipedia und sind, mit Verweis auf die Quelle, dort hineinkopiert. Eine Kuratierung findet nicht statt. Die übernommenen Artikel wurde da in jahrelanger Nachtarbeit hineinkopiert. Eine Aufgabe, die ein findiger Scripter sogar automatisieren könnte. Als das im September 2017 publik wurde, hat es geschadet. Denn die Seite wurde als »jüdisches« Projekt betrachtet oder man ging davon aus, eine Reihe von jüdischen Autoren stellten dort Artikel zusammen.

Das machte aber auch deutlich: Es gibt keine zentrale Website mit »allen« Informationen zum Judentum. Auch der Informationsstand der deutschen Wikipedia ist »schwierig«, weil dort noch immer Änderungen des Kreuzzeichens für das Sterbedatum rückgängig gemacht werden und sinnvolle Ergänzungen mit viel Ausdauer verteidigt werden müssen. Die Schaffung einer Plattform für Wissen zum Judentum wäre doch eigentlich eine gute Idee.

Dabei ist dieses »Wissen« ist derzeit sogar vorhanden, allerdings sehr verteilt und wird nicht an allen Stellen des Netzes aktuell gehalten: Das »Österreichische Jüdische Museum« erfasst derzeit in seinem Blog Grabsteine verschiedener Friedhöfe: (siehe etwa Friedhof Eisenstadt – Archiv). In einer perfekten Welt hätte man eine Seite mit grundlegenden Informationen zur Geschichte der Juden in Eisenstadt, einen Artikel zum entsprechenden Friedhof und eine Liste mit Gräbern. Diese wiederum würde Einzeldatensätze (Seiten bzw. Artikel) zu jedem beschriebenen Grabstein enthalten und die biographischen Angaben zu den einzelnen Namen – sofern verfügbar - einzeln erfassen. Vom Friedhof Eisenstadt könnte man also zum Grab von Charlotte Bondi navigieren und von dort aus zu Details zur Person. In einem Wiki könnte man dann auch Verwandte mit dem Eintrag verbinden und so ein Netz von Informationen aufbauen. Häufig vorkommende Begriffe, wie צנועה אשה könnten einmal und ausführlich erläutert werden. Gleiches gilt für andere Artikel über Städte oder bibliographische Informationen. Man könnte also ein dichtes Informationsnetz spinnen. Beim Jüdischen Museum Berlin entsteht gerade ein Online-Portal zur Topografie jüdischen Lebens in Deutschland, das Steinheim-Institut Essen hat die Smartphone-Web-App »Orte jüdischer Geschichte« geschaffen, in der Wikipedia sind georeferenzierte Daten vorhanden, auf verschiedenen lokalen Portalen wie »Alemannia Judaica«, oder synagogen.info ebenfalls. Noch granularer, aber detaillierter wird es auf beispielsweise im lokalen Wiki »Wulfenwiki«. Einige dieser Informationsquellen erlauben schon heute eine Weiterverwendung der Daten mit Nennung des Urhebers (Creative Commons Lizenzen). Es ist also alles da. Aber nicht verknüpft.

Das Interessante daran: Viele finden die Idee gut, halten sie aber für schwer realisierbar. Ich habe mit vielen Akteuren in den letzten Wochen darüber gesprochen und abgetastet, ob das möglich wäre. Die Bereitschaft ist grundsätzlich vorhanden. Aber man steckt häufig in eigenen Projekten. Geld steht üblicherweise für konkrete, in sich geschlossene, Projekte zur Verfügung. Ein Austausch darüber hinaus ist komplex. Da eine »jüdische Wikipedia« aber nicht ein Projekt einer Einzelperson bleiben darf und soll, bin ich auch davor zurückgeschreckt, das einfach mal zu machen - was technisch leicht zu realisieren wäre.

So ist das kein Rückschlag, sondern hat zumindest ein paar Leute ins Gespräch gebracht und die Idee in die Öffentlichkeit getragen. Dass sie nicht unmittelbar realisiert werden konnte, ist auch etwas, woraus man etwas lernen kann.