Nach der Nicht-Antisemitismus-Debatte in der ARD

Synagoge Baumweg (Frankfurt am Main) im Juli 2014

Den Plot kennt man aus einigen Filmen. Der Held wacht irgendwo auf und kann sich an nichts erinnern. Oder: Der Held kommt in seine Wohnung und überall ist Blut.
In beiden Fällen hat irgendjemand hat der Dame des Hauses die Lichter ausgepustet. Vielleicht hat er seinen Schlüssel fallen lassen und sich dann mit Blut vollgeschmiert, oder eine andere unbekannte Person liegt irgendwo tot herum. Die Indizien sprechen gegen unseren Helden, jedenfalls für die Strafverfolger. Wir Zuschauer wissen natürlich: Der ist doch unschuldig. Man müsste doch nur dies und das beachten. Wir verzweifeln mit unserem Helden. Er muss nun seine Unschuld beweisen, obwohl wir alle wissen, dass er das eigentlich gar nicht müsste. Meist hilft ihm irgendwann eine einzige Person, man kommt sich näher und dann… aber ich schweife ab. Wir als Zuschauer verzweifeln mit. Es ist alles soooooo klar.

So ähnlich fühlen sich diejenigen, die vom Antisemitismus betroffen sind und die öffentliche Diskussion darüber verfolgen. Ein Skandal, dass Kinder in Schulen für ihr Judesein gemobbt werden, die Schule verlassen müssen und sich dann anschließend die Eltern der Schule zu Wort melden und sich über die Rufschädigung beschweren. Verbunden mit einem Verweis auf den Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis.
In Essen wurde schon vor längerer Zeit versucht, die Alte Synagoge anzuzünden – während einer Demonstration gegen den Staat Israel. In Frankreich gab es gar Tote.

Und dann setzen sich Leute zusammen und beschließen: »Ausrutscher« oder »nicht antisemitisch motiviert«, ja vielmehr sei all das eine Kritik am Staat Israel. Bevor man fragen kann, ob dies all das legitimiere, präsentiert man auch einen »Zeugen« (wir wechseln wieder in die Film-Metapher) aus der eigenen Familie. Der sollte eigentlich als Fürsprecher auftreten, doch er sagt: »Anderen ist schlimmeres passiert.« Hier wäre es Rolf Verleger, der mit einem Verweis auf Muslimhass antwortet, wenn er nach Antisemitismus gefragt wird.
Oder ein älterer Herr erklärt freundlich, warum gerade er als Deutscher den Staat Israel kritisieren darf, wenn er nach Antisemitismus gefragt wird.

Der Film mit unserem Helden wird ein Happy End haben. Er wird den Fall selber aufklären und die wahren Verbrecher überführen. Wie wird es mit unserem Thema sein?
Der Held soll kein Held sein. Er hat es versucht. Seinen Staat aufgebaut. Sich bemüht und wird dafür gehasst.
Und in Deutschland? Schwierig. Die Gemeinden schrumpfen ohnehin. Eine mündliche Solidaritätsbekundung der Regierung fängt keine Schläge ab und der Gegenwind wird stärker.

Von Chajm

Chajm Guski ist nicht nur Autor dieses Blogs und Bewohner des Ruhrgebiets, sondern auch Herausgeber von talmud.de und Organisator des Minchah-Schiurs im Ruhrgebiet. Einige seiner Artikel gibt es nicht nur im Internet, sondern beispielsweise auch in der Jüdischen Allgemeinen. Über die Kontaktseite kann man Chajm eine Nachricht senden. Man kann/soll Chajm auch bei twitter folgen: @chajmke. Chajms Buch »Badatz!« 44 Geschichten, 44 zu tiefe Einblicke in den jüdischen Alltag, gibt es im Buchhandel und bei amazon. Sein Buch »Tzipporim: Judentum und Social Media« behandelt den jüdischen Umgang mit den sozialen Medien. || Um per Mail über neue Beiträge informiert zu werden, bitte hier klicken

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