Mitgliederentwicklung der Jüdischen Gemeinden 1955 – 2016
Nach Pessach veröffentlicht die ZWST traditionell die Mitgliederstatistik der Jüdischen Gemeinden für das Vorjahr. Wie viele Mitglieder haben die Gemeinden insgesamt? Wie viele hatten sie im Vorjahr? In der Gesamtbetrachtung kann man daraus eine Entwicklung ablesen. Und diese ist seit 2007 rückläufig. Seit diesem Jahr verlieren die Jüdischen Gemeinden Mitglieder. 2006 also hatten die Gemeinden mit 107.794 Personen die höchste Anzahl von Mitgliedern seit 1949. 2015 sank die Zahl erstmals unter die Grenze von 100.000. 2016 nun liegt die Zahl der Gemeindemitglieder bei 98.594.
Woran das liegt, ist offensichtlich. Die Anzahl der »Abgänge« übersteigt die Anzahl der »Zugänge«. Oder weniger euphemistisch formuliert: Es sterben mehr Menschen, als Kinder geboren werden. Es fehlen mindestens 1244 Babys um das aufzufangen. Zunächst die wichtigsten Eckdaten in der Übersicht:
2013 | 2014 | 2015 | 2016 | |
---|---|---|---|---|
Geburten | 250 | 243 | 277 | 265 |
Sterbefälle | 1244 | 1335 | 1476 | 1498 |
Übertritte | 70 | 68 | 59 | 98 |
Austritte | 418 | 528 | 422 | 412 |
Einwanderer | 444 | 652 | 674 | 409 |
Auswanderer | 150 | 169 | 142 | 187 |
Wo wir schon bei Babys sind: 1989 gab es in Deutschland 807 Kinder im Alter zwischen 0 und 3.
2016 waren es 1.051. Kling unspektakulär? Dann formulieren wir das anders. 2016 hatten die Gemeinden mehr als als dreieinhalb mal soviel Mitglieder als 1989 (98.594 gegen 27.711). Wir könnten also 2.800 Kinder in diesem Alter erwarten…
Betrachten wir die Zu- und Abgänge im Detail für das Jahr 2016:
Zugänge versus Abgänge 2016
Und nun noch die Entwicklung der Zu- und Abänge: Hier wird leider eine Tendenz deutlich - bei einer kleiner werdenden Gesamtzahl - steigt die Zahl der Todesfälle.
Entwicklung der Zugänge und Abgänge
Für 2016 kann man festhalten, dass diese Entwicklung nahezu jede Gemeinde erfasst hat. Warum nahezu? Bevor diese Frage beantwortet wird, zunächst ein Blick auf »Gewinne und Verluste« auf Ebene der Landesverbände:
Landesverband | 2015 | 2016 | Differenz zum Vorjahr |
---|---|---|---|
Baden | 5457 | 5383 | -74 |
Bayern | 8753 | 8709 | -44 |
Berlin | 9865 | 9735 | -130 |
Brandenburg | 1091 | 1224 | 133 |
Bremen | 940 | 907 | -33 |
Frankfurt/M. | 6604 | 6503 | -101 |
Hamburg | 2445 | 2447 | 2 |
Hessen | 4758 | 4676 | -82 |
Köln | 4077 | 4026 | -51 |
Mecklenburg-Vorpommern | 1412 | 1342 | -70 |
München | 9507 | 9485 | -22 |
Niedersachsen | 6843 | 6724 | -119 |
Niedersachsen (liberale) | 1233 | 1222 | -11 |
Nordrhein | 16311 | 16200 | -111 |
Potsdam | 416 | 414 | -2 |
Rheinland-Pfalz | 3181 | 3145 | -36 |
Saar | 918 | 894 | -24 |
Sachsen | 2560 | 2533 | -27 |
Sachsen-Anhalt | 1355 | 1340 | -15 |
Schleswig-Holstein | 1210 | 1161 | -49 |
Schleswig-Holstein | 748 | 698 | -50 |
Thüringen | 739 | 710 | -29 |
Westfalen | 6356 | 6251 | -105 |
Württemberg | 2916 | 2865 | -51 |
Warum also nahezu? Weil es zwei Ausnahmen gibt: Eine davon ist Hamburg. Hamburg konnte seine Anzahl der Mitglieder von 2.445 in 2015 auf 2.447 im Jahr 2016 steigern. Zwei Personen kamen hinzu. Wenn man sieht, dass die Gemeinde Frankfurt am Main genau 100 Mitglieder verloren hat, dann mag man nicht mehr über einen Zuwachs von 2 schmunzeln. Eine weitere Ausnahme ist Brandenburg. Hier kamen 133 Mitglieder hinzu. Besonders Oranienburg hat Mitglieder hinzugewonnen. Potsdam hingegen massiv verloren. Hatte die Gemeinde 2010 noch 393 Mitglieder, so waren es 2016 nur noch 210. Es scheint, als müsste man bei der Planung der neuen Synagoge berücksichtigen, dass man die Infrastruktur für eine kleine Gemeinde anlegt. Im Landesverband Nordrhein dürfte die Gemeinde Düsseldorf den größten Verlust von Mitgliedern erleiden. Waren es 2010 noch 7.080, so waren es 2016 noch 6.713. Und das obwohl Düsseldorf als Stadt eigentlich immer mehr Menschen anzieht.
Israelis und Berlin
Berlin liegt im Fokus wenn es um Israelis geht. Wie viele mag es dort geben? Die Jüdische Gemeinde Berlins (135 Mitglieder weniger als im Vorjahr) scheint nicht von dem Boom, sofern es einen gibt, zu profitieren. Da sie dementsprechend nicht bei der Gemeinde angemeldet sind, gehen sie auch nicht in die Statistik ein.
In Berlin waren am 31.12.2016 4.680 Personen mit israelischer Staatsangehörigkeit gemeldet. Israelis, die mit deutscher Staatsbürgerschaft in Berlin leben, dürften damit nicht erfasst sein (rein technisch sind sie ja auch keine Israelis mehr). Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat eine smarte Schnittstelle für Datensammler. Die folgenden Daten entstammen dem Einwohnerregister Berlins:
Bezirk | Personen |
---|---|
01 Mitte | 685 |
02 Friedrichshain-Kreuzberg | 678 |
03 Pankow | 566 |
04 Charlottenburg-Wilmersdorf | 1319 |
05 Spandau | 79 |
06 Steglitz-Zehlendorf | 314 |
07 Tempelhof-Schöneberg | 434 |
08 Neukölln | 375 |
09 Treptow-Köpenick | 54 |
10 Marzahn-Hellersdorf | 32 |
11 Lichtenberg | 70 |
12 Reinickendorf | 74 |
Berlin insgesamt | 4680 |
Sind sie alle Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Berlin? Natürlich nicht. Wir machen die Gegenprobe. Für den 31.12.2014 hielt das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg fest, dass 3.991 Personen mit israelischer Staatsangehörigkeit lebten. Die Zahl hat sich also in zwei Jahren um 689 erhöht. Das müsste dann bedeuten, die Gemeinde hätte in zwei Jahren etwa 680 neue Mitglieder haben können. 2016 meldeten sich 215 Einwanderer (aus welchem Land sie kamen ist unbekannt) bei der Gemeinde an, 2015 waren es überhaupt keine. Also tatsächlich: Diese Gruppe kommt in der Gemeinde nicht an. Aber man stelle sich das vor?! Berlin hat 9.735 Mitglieder. Die Israelis könnten eine große Gruppe innerhalb der Gemeinde bilden und den Kurs erheblich beeinflussen.
Daten
Alle Daten kann man bei der ZWST nachlesen.