Hamburg von Carsten Frenzl, auf Flickr; mit einer Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0) Creative Commons Lizenz

Antisemitismus ist wieder Thema, seitdem bekannt wurde, dass ein jüdischer Junge eine Berliner Schule deshalb verlassen musste (siehe etwa hier). Die Geschichte hat aber zunächst nicht in Deutschland für Aufsehen gesorgt, sondern schwappte aus dem Ausland zurück nach Deutschland. Und wie immer, wenn es um Antisemitismus geht, fragt sich die nichtjüdische Öffentlichkeit: »Wo kommt das her?« Ganz so, als sei das Phänomen neu. Zum Old School Antisemitismus in Deutschland, der sich häufig in abwertenden Kommentaren und Leserbriefen äußerte, manchmal in hässlichen Schmierereien auf jüdischen Friedhöfen und an Wänden von Synagogen, selten in körperlichen Attacken und sogar Morden, kommt seit einigen Jahren ein neuer Antisemitismus hinzu. Der ist Ausdruck und Teil einer schrägen Jugendkultur in der das Wort »Jude« an sich schon ein Schimpfwort ist. Diese Jugendkultur speist sich aus einem importierten plumpen Antisemitismus aus dem Nahen Osten. Oft transportiert durch Medien aus diesen Ländern. Dort gehört Antisemitismus noch zum guten Ton in der Medienwelt - nicht selten staatlich gefördert und nicht immer Ausdruck einer Überzeugung aller Menschen - aber die Propaganda verfestigt sich irgendwann. Das ist ein Antisemitismus, der sich durch Pöbeleien, Beleidigungen oder Übergriffe zeigt. Viele dieser Fälle wurden aber nicht als antisemitische Straftaten eingestuft, sondern als politisch motivierte Straftaten. Ein Brandanschlag auf die Synagoge in Wuppertal wurde jüngst nicht als antisemitischer Vorfall eingestuft. Eher als sehr sehr physische Israelkritik. Sogar ohne diese politischen Vorfälle, wurden 2015 nahezu 1.400 antisemitische Straftaten registriert. Dennoch fragt man sich regelmäßig: »Wo kommt das plötzlich her?« und »Was können wir machen?« Eine Antwort könnte lauten: Lasst uns das Problem erkennen und dokumentieren. Im nächsten Schritt gehen wir dagegen vor. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) ist so ein Projekt. Hier kann jeder einen Vorfall melden, auch wenn er nicht angezeigt wird. Etwa Vorfälle wie diesen:

Am 12. Januar wurde vormittags ein Kippa tragender Mann auf der Karl-Marx-Straße in Neukölln unvermittelt von einem älteren Mann beschimpft. Der Betroffene wurde beim Überqueren der zu dieser Tageszeit stark belebten Straße, nahe des Neuköllner Rathauses, von dem Mann auf arabisch als „sharmota (dt. sinngemäß: Hurensohn) und „yahud“ beschimpft. Von den zahlreich anwesenden Passant_innen reagierte niemand. Der Betroffene ignorierte die Beschimpfung und setzte seinen Weg fort.

Auch für Hamburg wurde im Februar 2017 eine solche Meldestelle gefordert. Die CDU forderte »Juden müssen sich hier sicher fühlen«. Dafür sollte natürlich auch ein wenig Geld in die Hand genommen werden. Wenn die Gesamtgesellschaft ihre Verantwortung ernst nimmt, dann wäre es von der Forderung nach einer solchen Meldestelle ein kurzer Weg zur Umsetzung. In Hamburg war es jedoch nicht so. Dort beriet sich der Sozialausschuss und der Plan wurde nicht zur Umsetzung angenommen. Mit den Stimmen von SPD und Grünen. Die beiden (in Hamburg) regierenden Parteien waren der Meinung, eine »Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt« reiche aus. Dabei hat die einen anderen Fokus als der Vorschlag der CDU Hamburg. Ist es die Furcht vor den Zahlen, die möglicherweise erhoben werden könnten?

Vor der Bundestagswahl ist das ein Hinweis darauf, wie ernst man den Kampf gegen Antisemitismus tatsächlich meint. Günstiger ist es natürlich zu sagen: »Woher kommt das nur?«