2012 erschien der erste Band der neuen englischen Ausgabe des Steinsaltz Talmuds (siehe auch hier). Die Übersetzung nenne ich deshalb Steinsaltz Talmud, weil sie (naheliegenderweise) von Rabbiner Steinsaltz stammt. Aber er verfasste auch zahlreiche Hinweise und Klarstellungen. Die reine Übersetzung ist jeweils fett gesetzt. Die Übersetzung ist nicht unanspruchsvoll, dementsprechend aber auch nicht zu vereinfachend. Schnell ist man beeindruckt, wie viel Text zusammenkommt, wenn eigentlich nur fünf Wörter Originaltext übersetzt worden sind. Es ist, als würde man den Talmud mit jemandem lesen, der den Text fortwährend erklärt: Den Kontext, die Zitate aus dem Tanach und den Fluss der Argumentation. Erst diese Informationen bringen Licht in den reinen Text des Talmuds. Am 7. Februar 2017 kündigte das Sefaria-Projekt an, der Talmud von Steinsaltz sei nun frei im Netz lesbar!

22 Traktate sind verfügbar, bis zum Ende des Jahres 2017 sollen die letzten 15 folgen. Aber damit nicht genug. Der Text steht auch unter einer »Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International (CC BY-NC 4.0)« Lizenz zur Verfügung. Bedeutet im Klartext, man darf das Material in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten, es bearbeiten, verändern und darauf aufbauen, man darf dies jedoch nicht für kommerzielle Zwecke tun. Der Urheber muss ebenfalls vernünftig genannt werden und das so entstandene Material wieder unter dieser Lizenz verfügbar sein. Kurzum: Großartig. Man darf die Texte also vervielfältigen und in Lerngruppen verwenden. Moment: Das würde erlauben, dass fleißige Menschen auch einen Teil ins Deutsche übersetzen und veröffentlichen dürften…

Im Traktat Berachot (2a) kann man sich einen guten Eindruck verschaffen. Dort liest man den kommentierten Text und kann auch auf die verlinkten zusätzlichen Quellen zugreifen: Raschi, Tosafot, Chiduschej Halachot, Abraham Cohens Fußnoten zum Talmud, Raschba und Ritva. Möglichkeiten gibt es also zahllose.

Diese Online-Ausgabe wird nun übrigens nicht als Steinsaltz-Ausgabe bezeichnet, sondern als William Davidson Talmud. Im Andenken an ihn, war eine, nach ihm benannte, Stiftung an der Durchführung des Projekts beteiligt. In Zusammenarbeit mit dem Korenverlag.

Ende 2017 wird es also eine vollständige, vernünftig kommentierte und übersetzte Ausgabe des Talmuds online geben. Vielleicht kann man damit ein wenig den gängigsten Mythen über den Talmud entgegentreten.