»Klagemauer« Köln »Klagemauer« Köln

Wer bis zum Ende des Jahres 2015 mit dem Zug nach Köln kam und sich vor den Dom stellte, musste früher oder später Notiz von der »Klagemauer« nehmen. Sie stand am bekanntesten Platz der Stadt und stimmte die Besucher auf den Aufenthalt in der Stadt ein. Die »Klagemauer« wandte sich gegen den Staat Israel und das tat sie in einer Form, die wenig Zweifel daran ließ, dass derjenige, der diese Art des Protests in die Stadtmitte trug, den Staat Israel deshalb ablehnte, weil er der Staat Israel war – der Jude unter den Völkern. Da war die Rede vom »Holocaust in Gaza« und davon, dass Netanjahu Massaker verübe und sie als »Kampf gegen den Terror« verkaufe – wie Hitler. Dazu wurden Bilder und Karikaturen gezeigt, auf denen ein Jude ein Kind verspeist. Dass es antisemitisch war, konnten Jüdinnen und Juden häufig bestätigen. Die Gerichte der Stadt sahen das in der Regel anders und wiesen Klagen diesbezüglich ab. Selbst der Bezirksbürgermeister Andreas Hupke bezeichnete die Sammlung von Material als »völlig einseitig, antisemitisch und nur abscheulich« (taz).

Derjenige, der demonstrierte, Walter Herrmann, zeigte, was in Deutschland legal über Juden und den Staat Israel gesagt werden darf. Das tat weh und verletzte Menschen. Es führte zu Hass bei denjenigen, die der Propaganda auf den Leim gingen und sich bestätigt sahen. Der Schaden dürfte groß sein. Nun verstarb Walter Hermann im Juni 2016, aber das beendete den Spuk nicht. Jetzt erst wird offensichtlich, dass Herrmann nicht allein war mit dem, was er dachte. Der Kölner Stadtanzeiger berichtete von einer »bewegenden Trauerfeier« (siehe hier) und die Sammlungen israelfeindlichen Materials wurden zu »kontrovers diskutierten Aktionen« (von hier: Kölner Stadtanzeiger). Der gesamte Bestand seiner Pappschildchen sollte im Kölnischen Stadtmuseum und dem Kölner Stadtarchiv weiter aufbewahrt werden. Das sollte man eigentlich laut hinterfragen. An diese Stelle stellt sich nun die Karl Rahner Akademie Köln und möchte an einem Abend, nach persönlicher Anmeldung, darüber diskutieren. »Der Erinnerung wert? Walter Hermann, die Klagemauer, der Antisemitismus und die Aufgabe historischer Archive« ist der Titel der Veranstaltung. Geladen sind Bundestagsabgeordneter Volker Beck, Polizeidirektor a.D. Udo Behrendes, die Archivarin Dr. Gisela Fleckenstein, der Direktor des Kölnischen Stadtmuseums Dr. Mario Kramp, Pfarrer Franz Meurer und Dr. Martin Stankowski. In einer vorherigen Ankündigung wurde noch Prof. Dr. Jürgen Wilhelm von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit genannt. Die Akademie möchte das Thema am 12. Oktober 2016 diskutieren. Das ist Jom Kippur. Kann sein, dass es die Karl Rahner Akademie im Vorfeld nicht wusste. Deshalb schrieb ich die Karl Rahner Akademie an. Kann es aber sein, dass man »über« Antisemitismus und Juden spricht, ohne einen einzigen Vertreter einzuladen? Auch das wollte ich von der Karl Rahner Akademie wissen:

Sehr geehrte Damen und Herren, am 12. Oktober 2016 planen Sie die Durchführung einer Podiumsdiskussion zu der sogenannten »Klagemauer« in Köln. Es wird unvermeidbar sein, bei diesem Thema auch über Antisemitismus zu sprechen. Das kündigen Sie ja auch in der Überschrift an. Die Fragen, die sich bei Betrachtung der Referenten aufdrängt, lauten: Warum sind keine jüdischen Referenten eingeladen? Warum wird »über« Juden gesprochen, aber nicht mit? Hatten Sie vor der Planung der Veranstaltung Kenntnis davon, dass der Veranstaltungstag Jom Kippur sein würde und somit kein Jude im Publikum würde sitzen können, der sich irgendwie für seine Religion interessiert? Haben Sie sich nach bekannt werden dieser Tatsache um eine Lösung dieses Widerspruchs bemüht? Ist Ihnen bewusst, dass man dies durchaus als Desinteresse an der jüdischen Haltung auslegen könnte?

Die Mail erreichte die Akademie am 28.09. blieb jedoch ohne Antwort. So ist man – so bin ich – dazu eingeladen, die Schlüsse selber zu ziehen: Ist das Sprechen über Juden ohne Juden vielleicht einfacher? Ist man sich möglicherweise schneller einig? Will man eine jüdische Stimme in dieser Diskussion gar nicht zur Kenntnis nehmen?

Mein Vorschlag würde übrigens lauten: Einen Teil aufbewahren. Der Teil kann dann für das neue jüdische Museum der Stadt Köln genutzt werden. Hier könnte man das neben Objekten zeigen, die eine Geschichte des Antisemitismus dokumentieren und dass so mancher Vorwurf (Brunnenvergifter, Kindermörder) sich ein neues Mäntelchen angezogen hat und als Israel-Kritik daherkommt (noch immer Brunnenvergifter und Kindermörder, aber nun »Israel«).

Update!

Am Nachmittag des 7. Oktober reagierte die Karl Rahner Akademie indirekt (Grammatikfehler aus dem Original):

Verschiebung der Veranstaltung! Von uns ist aus Unachtsamkeit die Podiumsdiskussion auf den 12. Oktober, das ist in diesem Jahr Jom Kippur, einer der höchsten jüdischen Feiertage, gelegt worden ist, und damit die Teilnahme von Menschen jüdischen Glaubens erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht ist, haben wir uns zur Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt entschieden.

Ob nun auch ein jüdischer Ansprechpartner eingeladen wird, stand nicht in der Nachricht auf der Homepage der Karl Rahner Akademie.

Volker Beck (der eingeladen ist) habe ich auf twitter angesprochen und dieser hat auch gehandelt: