Die Westmauer. Matson Photo Service [Public domain] Die Westmauer.
Matson Photo Service [Public domain]Am Ende eines Prozesses, der Jahre gedauert hat, wurde entschieden, dass es irgendwo an der Westmauer möglich sein soll, dass Frauen und Männer gemeinsam beten. Dabei lautete die ursprüngliche Forderung, dass Frauen das Recht haben sollten, im Frauenbereich mit Tallit und Teffilin zu beten. Zudem wollte man regelmäßig aus der Torah lesen. Daraus wurde ein Kompromiss: Es wird einen progressiven Bereich an der Kotel geben. Da können sich dann auch Frauen austoben und Teffilin legen und einen Tallit überziehen. Das wurde in den letzten Wochen als großer Durchbruch gefeiert und auch so verkauft. Ist es ein Erfolg? Wenn es darum geht, gegen das beaufsichtigende Rabbinat zu gewinnen, dann vielleicht. Aber hier gibt es keine Gewinner. Verloren haben alle Seiten. Der Platz vor der Kotel ist eine große Synagoge geworden und viele Parteien wollen gerne kontrollieren, wer was wann und wie in dieser Synagoge macht. Es gibt verschiedene Minjanim, einen Bar-Mitzwah-Tourismus und eine Menge passiert drumherum. Stolze Jungs lesen Torah und von der anderen Seite der Mechitzah rufen die stolzeren Mütter, dass sie Fotos machen wollen.

Rabbiner Daniel Bouskila hat in einem Kommentar aus sefardischer Perspektive richtige Worte dazu gefunden:

The “landmark decision” should have been to restore the Kotel to what it once was: an open place for all Jews to come pray and meditate as individuals. Instead, with this decision, the Kotel will eternally represent the divisiveness and politics of Judaism’s modern-day denominations. von hier

Keine Bar-Mitzwah-Location, kein Touristenmagnet, kein Anlaufpunkt für diverse Minjanim. Einfach ein Ort an dem der Einzelne kurz mal an die Überreste des Tempels herantreten kann. Rabbi Dr. Nathan Lopes Cardozo kommentiert dies ebenfalls so: Besser einfach den ganzen Ort schließen und nicht weiter in kleinere Teile brechen (siehe hier). Übrigens scheint mir gerade die »alte« Sicht auf die jüdischen Strömungen »aufzubrechen« und die Menschen sich über die Grenzen hinweg bewegen.

Aus dem Auge verloren hat man offenbar, dass es nicht darum geht und nicht darum gehen kann, Macht zu demonstrieren oder der eigenen Strömung einen Vorteil zu verschaffen. Das scheint dem Ort nicht angemessen zu sein. Synagogen gibt es mittlerweile rundherum. Die kann man nutzen. Direkt neben der Kotel gibt es den Wilson-Bogen, in dem heute eine richtige Synagoge untergebracht ist. Vielleicht gelingt es ja, dass man sich an diesem wichtigen Ort zusammenrauft, den gegenwärtigen Status überdenkt und gemeinsam ändert.