Das direkt vorweg: »Das« Wiki meiner Kindheit hieß Wickie und war der geschlechtslose Abkömmling eines Wikingers – bis ich in einer Folge Wickie nackt auf einem Fisch habe schwimmen sehen. Von da an war klar: Wickie war ein Junge. Sein Potz war deutlich zu sehen. Das kann man wohl heute nicht mehr zeigen. Überflüssig zu sagen, dass es »damals« kein Internet gab, also auch kein Forum für diejenigen, die sich darüber aufregen wollten. Die Wikipedia, die das Konzept des Wikis erst bekannt gemacht hat, wurde erst 2001 gegründet.

Das Projekt hat vieles und viele verändert. Neben google ist es DIE Anlaufstelle für alle diejenigen geworden, die mal eben etwas wissen wollen und hat das Sterben einiger lexikalischer Projekte von Verlagen vermutlich ein wenig beschleunigt. Die älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch an Encarta (von Microsoft). Das Lexikon wurde zunächst auf CDs ausgeliefert, später gab es einen Online-Zugang und irgendwann wurde es vollkommen eingestellt. Die Menschen klickten gerne in die Wikipedia und es gab und gibt ein paar von denen, die Dinge auch korrigieren und sogar neue Artikel erstellen. In einer idealen Welt gewinnen die Artikel dadurch an Qualität: Nutzer 1 schreibt irgendetwas, die Nutzer 2 bis 5000 lesen es, Nutzer 5001 sieht einen Fehler und korrigiert ihn (weil er sich auf dem Gebiet auskennt). Das funktioniert zu einem Großteil auch. Aber die Anzahl derjenigen, die »mal eben« etwas korrigieren, geht aber kontinuierlich zurück. Das betrifft die englischsprachige Wikipedia, aber auch die deutschsprachige (hier die Rohdaten für die deutschsprachige Wikipedia).

Gut, das kann daran liegen, dass alle Artikel sehr perfekt sind, aber die Anzahl der Menschen, die sehr sehr sehr viel an den Artikeln arbeiten, ist gleich geblieben. Es kann aber auch an fortschreitenden Bürokratisierung der Strukturen in der Wikipedia liegen – . Die Werkzeuge und die Idee dahinter sind großartig. Die konkrete Umsetzung ist etwas zäh. Der Hang zu einer Selbstbürokratisierung von Strukturen in Deutschland scheint nicht gefühlt zu sein, sondern er manifestiert sich auch ganz real. Die Wikipedia gibt es weltweit und eine Art Dachverein kümmert sich um die lokalen Ableger. Zu Deutschland gibt es zu sagen:

Wikimedia Deutschland also has the largest number of staff and largest budget for staff among the Wikimedia affiliates. Some members of the FDC consider that Wikimedia Deutschland’s staff is already oversized and see no rationale behind further increases, especially when the overall budget is being reduced. von hier: Wikimedia

und jüdische Themen?

Insbesondere wenn es um spezielle Themen geht, wird man in der (deutschsprachigen) Wikipedia schnell an Grenzen des Machbaren stoßen. So weigern sich viele Nutzer und Administratoren beharrlich Kreuze bei den Sterbedaten nichtchristlicher Menschen zu entfernen und setzen die Entfernungen durch andere Nutzer gern zurück. Wer dann tiefer eintaucht und ein wenig an den Artikeln herumschrauben möchte, die für da Thema Judentum relevant sind, gerät schnell an an gewisse Grenzen und muss sich attestieren lassen, keine Ahnung vom Judentum zu haben. Unter anderem auch von Nutzern, die Gemarah und Gemtriah nicht auseinanderhalten konnten. Hier ist dann entscheidend, wer die meisten Nutzer hinter sich zu versammeln weiß. Der Ton ist rustikal, man muss schon sehr sehr viel Interesse an einer Artikelverbesserung haben, wenn man sich das antun möchte.

Die Idee der Wikipedia ist, wie gesagt, sehr gut und wurde deshalb auch schnell adaptiert. Für jüdische Themen wird es in Zukunft (hoffentlich) spezielle Portale (außerhalb der Wikipedia) geben – mit verlässlichen und guten Informationen. Auch diese sollten im frei im weitesten Sinne sein.

Opensiddur ist ein solches Projekt, bei talmud.de wurde etwas in diese Richtung begonnen. Die Wurzeln von Sefaria.org liegen ebenfalls in etwas, was die Wikipedia begonnen hat. Spezialisierte Portale mit detaillierteren Informationen und der Möglichkeit, Quelltexte zu nutzen, dürften auf diesem Gebiet die Zukunft sein.

Einige Dissidenten der Wikipedia haben ein jewiki.net gegründet. Ein Projekt, welches eigentlich den Fokus auf jüdischen Themen legen wollte, aber (für meinen Geschmack) ein wenig zu viel dem großen Vorbild entspricht und den Fokus ein wenig verloren hat; denn es werden auch Seiten übernommen, die eigentlich nichts mit dem Judentum zu tun haben. So geht die Zeit für die Weiterentwicklung von jüdischen Themen möglicherweise verloren. Hier kann man von außen nur dazu raten den Projektfokus nicht zu verlieren. Generalisten können von allem ein wenig, aber nichts in der hinreichenden Tiefe.

Mit der Nennung der notwendigen Quellen darf jedes andere Onlineprojekt die Texte übernehmen und verbessern. Für talmud.de habe ich das bereits mit einem Text über Raschi (exemplarisch) gemacht. Die Übernahme des Textes erlaubt es, diesen zu verbessern und vielleicht doch Anlaufpunkte für Informationen mit höherer Qualität zu schaffen.

Wenn man über den Tellerand blickt, sieht man die Bibelpedia. Dort katalogisiert eine Person viele viele Bibelausgaben sehr detailliert und fortlaufend. Das wäre so in der Wikipedia vermutlich gar nicht möglich. Hoffentlich sind das Vorbilder für andere, die noch zögern.