Renate Rubinstein von Bogaerts, Rob / Anefo [CC BY-SA 3.0 nl], via Wikimedia Commons
»Tamar.« In einer niederländischen Zeitschrift las ich kürzlich einen Artikel über »Tamar«. »Tamar« war das Pseudonym von Renate Rubinstein. In den Niederlanden zuweilen auch als »Königin der Kolumnisten« bezeichnet. Geboren in Berlin. »Hoppla« dachte ich, das ist irgendwie bezeichnend, dass sie in Deutschland nahezu unbekannt ist. Nicht einmal zu einem Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia hat es gereicht (aber das sagt gar nichts). 1929 in Berlin geboren, emigrierte sie mit ihren Eltern zunächst nach Amsterdam, dann nach Großbritannien und kehrte nach dem Krieg zurück nach Amsterdam. Ihr Vater Willy kehrte schon früher zurück in die Niederlande. Er wurde dort verhaftet und in Auschwitz ermordet. Von Amsterdam führte ihr Weg sie zunächst nach Israel. Dort lebte sie zunächst in einem Kibbutz und studierte später an der Hebräischen Universität. 1955 kehrte sie zurück in die Niederlande. Sie arbeitete zunächst beim Nieuw Israëlitische Weekblad (Neuen Israelitischen Wochenblatt), dann für Vrij Nederland und beginnt ihre Arbeit als streitbare und einflussreiche Kolumnistin. Wenn man auch nur einen Ausschnitt aus ihrem Schaffen betrachtet, erkennt man, dass sie offenbar keinem Konflikt aus dem Weg gegangen ist.
Sie gehörte zu den »Verteidigern« von Friedrich Weinreb, einem jüdischen Schriftsteller der in Deutschland unter einer Reihe nichtjüdischen Lesern den Status eines Heiligen erlangt hat und den noch immer hat. In den Niederlanden wurde und wird Weinreb jedoch anders eingeschätzt. Was hatte man gegen Weinreb, der auch in den Niederlanden bekannt wurde? Er, der auch in den Niederlanden studierte, soll ausreisewilligen Juden vorgespielt haben, er habe eine Fluchtmöglichkeit und würde diese gegen Bezahlung auch aktivieren und sie in Listen eintragen. Diese Fluchtmöglichkeit hatte er jedoch in Wahrheit nicht. Die hitzige Diskussion in den Niederlanden der 70er Jahre kam in Deutschland nicht an.
Als 1966 der Deutsche Claus von Amsberg in das niederländische Königshaus einheiratete und zu »Prinz Claus« wurde, war sie eine laute Stimme gegen diese Verbindung und wurde sogar von einem Gericht verurteilt. Hintergrund war eine Beteiligung an einer Kampagne mit dem Titel »Ich will mein Rad zurück«. Zu ihrer Größe gehörte, dass sie ihr Urteil über Prinz Claus später revidierte und ihn wohl doch ganz sympathisch fand. Für ihr Buch Jood in Arabië, Goi in Israël (Übersetzung des Titels wohl nicht notwendig) in dem sie eine Reise nach Israel, Jordanien und den Libanon 1967 beschrieb, hagelte es Kritik durch die jüdischen Niederlande, aber Kritik gab es auch für andere Texte von ihr. Mal schrieb sie zu Feminismus, mal zum Krieg in Vietnam oder der Sowjetunion. Erst ihre Erkrankung an Multipler Sklerose zügelte ihr Schaffen - aber auch darüber schrieb sie ein Buch.
»Weltberühmt in Amsterdam - wereldberoemd in Amsterdam« wie jemand über sie schrieb - aber in Deutschland leider nahezu vergessen - obwohl es ein paar Texte von ihr in deutscher Sprache gibt:
- Immer verliebt
- Nichts zu verlieren und dennoch Angst: Notizen nach einer Trennung
- Mein besseres Ich - Rubinstein schildert ihre Beziehung zu Simon Carmiggelt, dem »verheiratetsten Autor der Niederlande«.
Renate Rubinstein verstarb am 23. November 1990 in Amsterdam.
In niederländischer Sprache gibt es einen sehr ausführlichen Artikel über Rubinstein von Coen Verbraak, klick hier.