The Heart and the Wellspring in Gelsenkirchen The Heart and the Wellspring in Gelsenkirchen

Energiegeladen und dynamisch. Mit dieser Beschreibung könnte man die Rückschau auf das Konzert von »The Heart and the Wellspring« oder eigentlich »HaLew Wehama‘ajan הלב והמעיין« (am 5. November 2015) in der Synagoge Gelsenkirchen gleich wieder beenden und hätte damit alles gesagt. Von der ersten Minute des Auftritts an, nahmen die fünf Musiker ihr Publikum mit auf einen wilden Ritt durch verschiedene Musiktraditionen und da passte es ganz gut, dass die Musiker auch aus verschiedenen Traditionen kommen. Das ist schon rein optisch gut erkennbar. Chilik Frank trägt Schläfenlocken (endlich hatte das Publikum einmal einen »echten« Juden bei den Klezmerwelten) und ist Breslover Chassid, Ariel Alaev trägt die Kopfbedeckung der bucharischen Juden und stellte sich in einem kurzen russischen Redebeitrag auch als bucharischer Jude vor. Er nahm dies zum Anlass, ein Lied aus Duschanbe zu spielen und katapultierte das Publikum mit Energie in eine vollkommen andere Musiktradition.

The Heart and the Wellspring in Gelsenkirchen

The Heart and the Wellspring in Gelsenkirchen

Naor Carmi, beschrieb zu Beginn des Konzerts kurz die musikalische »Vision« der Gruppe: Die Musik der verschiedenen chassidischen Gruppen zu sammeln, neu zu interpretieren und einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Aber dennoch spielte die Band nicht nur chassidische Musik (mit recht vielen Niggunim aus der Tradition von Chabad). Auch traditionelle Stücke wie »Schalom Alejchem« waren Bestandteil der Zugabe. Naor Carmi (am Kontrabass), der stets lächelte und bescheiden von der Musik erzählte, aber auch begeistert von den Zaddikim (»Männer ohne jedes Ego«), berichtete, scheint aber das musikalische Gehirn der Gruppe zu sein – auch wenn Chilik Frank aufgrund seiner auffälligen Erscheinung zumindest optisch im Vordergrund steht. Carmi schreibt die Arrangements und hat sich in Israel übrigens auch viel mit arabischer Musik beschäftigt. Akiva Turjeman gab den Songs mit seiner Stimme – wie soll man das nennen – einen israelischen Style. Asaf Zamir (Perkussion) ist anscheinend ein Mizrachi-Jude und auch er ließ in eine andere Musiktradition blicken, machte aber auch ein wenig Beatboxing und trommelte mit Hilfe seines Kopfes oder auf seinem Kopf und spielte in Zusammenarbeit mit dem Publikum. Das kam natürlich gut an. Fast so gut wie das Hava Nagilah, dass die Gruppe ebenfalls präsentierte und das war einer der wenigen Augenblicke in denen man den Eindruck hatte, hier wird dem Publikum doch das gegeben, was es verlangt. Auf der anderen Seite merkt man, dass die Jungs echte Bühnenprofis sind und diese Dinge offenbar gut dosiert zum Einsatz bringen. Vielleicht präsentieren sie einem israelischen Publikum einen anderen Querschnitt aus ihrem musikalischen Werk.

Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass das Konzert zeitlich vom Klezmerworkshop abgekoppelt war. Wären die jungen Teilnehmer des Workshops im Publikum gewesen, hätten sie vermutlich bei der überbordenden guten Laune das Zentrum der Jüdischen Gemeinde vollständig zerlegt.

Für jüdische Zuschauer und Zuhörer war der Auftritt von »HaLew Wehama‘ajan הלב והמעיין« ein großes Ereignis. Für nichtjüdische Zuhörer eine weitere Erinnerung daran, dass da nicht Musik von gestern gespielt wird, sondern durchaus auch von heute – mit Pop-Qualität. Jiddisch ist übrigens auch keine Sprache von gestern. Das zeigte Chilik Frank, der als jiddischer Native-Speaker die Musik kommentierte.

Der Sound vor Ort hatte übrigens Studioqualität.

“the heart and the wellspring” in #Gelsenkirchen #hassidic #chassidic #music #eliyahu #jewish #hebrew #jüdisch

Ein von Chajm Guski (@chajmke) gepostetes Video am 5. Nov 2015 um 14:08 Uhr