Stolpersteine: Es gibt Orte, an denen werden sie verlegt. Es gibt Orte an denen werden sie nicht verlegt. Jüngst gab es erneut eine Meldung aus München darüber, dass die Stadt eine Verlegung nicht wünscht. In so mancher Stadt sind erneut Diskussionen darüber entbrannt. Oft, weil Lokalzeitungen natürlich vor Ort geforscht haben, ob das Münchner Votum irgendetwas an der Haltung geändert haben könnte.

Hier ein paar Dinge, die man in der Diskussion darüber und vielleicht bei der Verlegung beachten sollte. Weil die Welt nicht Schwarz-Weiß ist, ist es diese Liste auch nicht. Falls also jemand nur Pro-Argumente abfischen will: Sorry.

  • Die Stolpersteine sind eine Form des Gedenkens, sie sind kein Projekt, welches andere Formen der Erinnerung ausschließt (»Aber wir haben doch schon Stolpersteine verlegt!«).
  • Die Stolpersteine sind aber auch nicht DIE Form des Gedenkens. Es werden im Laufe der Zeit sicherlich neue Formen entstehen.
  • Das Argument »Jude XY hat gesagt« oder »Der Vorstand der Jüdischen Gemeinde XY-hausen ist auch dagegen« hat keinen Bestand. Kein Jude spricht für alle anderen. Während die Vorsitzende der Gemeinde München Charlotte Knobloch das Projekt vollständig ablehnt, hat die Jüdische Gemeinde Düsseldorf dem Vater des Projekts, Gunter Demnig, einen Preis verliehen (hier|hier).
  • Einwände von Angehörigen oder Verwandten derjenigen, deren Namen auf den Stolpersteinen stehen werden, sollten hingegen ohne jede Rückfrage respektiert werden. Das versteht sich vermutlich von selbst. Auch wenn man die Argumente für falsch hält.
  • Der Verleger der Stolpersteine ist kein Heiliger. Er hat, wenn man das so ausdrücken kann, eine Exklusivrecht auf diese Form des Gedenkens. Ob ein Stein verlegt wird oder nicht, liegt letztendlich auch an ihm. Es wäre sicherlich nicht schlecht, wenn eine demokratische Art des Gedenkens (siehe nächsten Punkt) nicht von einer Einzelperson abhängt. 2011 kündigte Demnig an, in Hannover keine Steine mehr verlegen zu wollen. Es ist nicht einleuchtend, warum die Öffentlichkeit dieses de facto Monopol nicht hinterfragt und nicht einen Bruch verlangt. Es soll sich ja auch um ein Kunstprojekt handeln und was ist das für eine Kunst, die nur ein Künstler schaffen darf?
  • Die Stolpersteine sind eine Form des Gedenkens, an deren Realisierung viele Einzelpersonen oder Gruppen mitwirken können. Es braucht keine übergeordnete Instanz, die eine Verlegung beauftragt. Wenn man so will, eine demokratisierte Form des Gedenkens – und eine dezentrale.
  • Die Stolpersteine werden von den Bewohnern eines Ortes (oder einem Teil der Bewohner verlegt) und regen damit auch einen kleinen gesellschaftlichen Prozess an. Man muss sich mit den Menschen, deren Namen auf den Steinen steht, beschäftigen.
  • Die Stolpersteine sollten aus der Gesellschaft kommen – deshalb sollten unter keinen Umständen die Nachfahren oder Verwandte derjenigen, deren Namen auf den Steinen stehen wird, für sie zahlen müssen – oder gar die Verlegung organisieren. Das ist Aufgabe der Gesellschaft.
  • Wo wir bei der Verlegung sind: Wenn diejenigen, deren Namen auf den Steinen stehen wird, nicht gerade aus Osteuropa stammen, ist Klezmermusik wirklich deplatziert. Klezmer ist nicht DIE jüdische Musik.
  • Wo wir gerade von Kitsch sprechen: Auch Paul Celans »Todesfuge« ist durch ihren übermäßigen Einsatz für derartige Zwecke nicht unbedingt zu empfehlen. »Jeder Mensch hat einen Namen – Lechol isch jesch schem« (Download hier) der Dichterin Zelda Schneersohn Mischkovsky passt in den Kontext schon eher. Man bringt mit den Stolpersteinen den Namen einer Person wieder zurück in die Öffentlichkeit.
  • Die Stolpersteine sind keine Grabsteine. Sie sind als solche dementsprechend auch nicht zu behandeln.
  • Ja. Man kann über sie hinweggehen und sie werden als Teil des Bodenbelags auch den gleichen Belastungen ausgesetzt. Sie können bespuckt werden oder Hunde können sich auf ihnen entleeren. Auf der anderen Seite: Man kann sie nirgends herunterreißen und nicht umstürzen.
  • Stolpersteine halten lange, aber nicht ewig. Die Messingplatte wird irgendwann abgewetzt sein. Der Text wird unleserlich etc.
  • Wer eine Erinnerungstafel schänden will, wird das tun. Ganz gleich wo sie hängt. Solchen Personen wird es auch gelingen, einen Stolperstein zu beschädigen.
  • Das sind einige Punkte zu den Stolpersteinen. Ein Ende wird die Diskussion erst dann haben, wenn auch das Projekt nicht weitergeführt wird. Vielleicht weil Gunter Demnig eines Tages nicht mehr weitermacht oder vielleicht, weil es eine neue Form geben wird, die einen breiten Konsens findet.