Ein seltsamer Minhag

Minhagim Buch: Hoschanah Rabbah
Minhagim Buch: Hoschanah Rabbah

Im Herbst schrieb ich in der Jüdischen Allgemeinen über einen seltsamen Brauch: Den Minhag haZel.
Eleasar ben Jehuda aus Mainz (1176–1238) berichtet in seiner Zusammenfassung von Halachot, bezeichnet als HaRokeach (221), dass an Rosch Haschana das Schicksal des Menschen beschlossen und an Jom Kippur besiegelt wird – und dass dies an einem Schatten an Hoschana Rabba sichtbar wird. Der Prozess gegen den Menschen wird also zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur geführt, und laut Eleasar ben Jehuda kann man seinen Ausgang an Hoschana Rabba »sehen«. Im Minhagim Buch, welches Jitzchak von Tyrnau (lebte im 14. Jahrhundert) zugeschrieben wird, findet man diesen, scheinbar aschkenasischen Brauch noch.
Den jiddischen Text zu diesem Brauch habe ich nun (endlich) übertragen:

Hoschannah Rabbah ist der siebente Tag von Sukkot
An allen anderen Tagen steht geschrieben KeMischpat und bei dem siebenten Tag steht KeMischpatam, damit man weiß, dass HaKadosch baruchHu an Rosch haSchanah gerichtet hat und geurteilt hat an Jom Kippur. Das weiß man durch den Mond. Derjenige, der seinen Schatten nicht sieht, bleibt nicht leben im selben Jahr, denn an Hoschanah Rabbah wird der Regen gerichtet: Wird es regnen oder nicht.
Darum erfährt man in dieser Nacht, wieviele Leute im kommenden Jahr zu ernähren sind.
Viele kleiden sich in ein Leinentuch und gehen dorthin, wo der Mond scheint. Dort legen sie das Leinentuch ab, so dass sie nackt bleiben und breiten ihre Glieder ganz aus. Fehlt ihnen der Kopf, dann wird es um ihren Kopf gehen, fehlt ihnen ein Finger, dann wird es um Verwandte gehen. Fehlt der Schatten der rechten Hand so ist es ein Zeichen für den Sohn, fehlt die linke Hand ist ein Zeichen für die Tochter. Wisse aber, dass der Schatten den man im Mondlicht sieht, nicht der richtige Schatten ist, sondern es ist der Schatten vom Schatten. Wenn genau hinsieht auf den Schatten von Menschen, so sieht man den Schatten den der richtigen Schatten umgibt.
Wir lernen in der Gemarah, dass einer der über Land zieht und will wissen ob er zurückkehren wird, oder nicht, der soll nach seinem Schatten sehen. Sieht er den Schatten vom Schatten so kehrt er wohlbehalten wieder Heim. Man rät davon ab, damit die Person nicht vollständig den Mut für Unternehmungen verliert.

Von Chajm

Chajm Guski ist nicht nur Autor dieses Blogs und Bewohner des Ruhrgebiets, sondern auch Herausgeber von talmud.de und Organisator des Minchah-Schiurs im Ruhrgebiet. Einige seiner Artikel gibt es nicht nur im Internet, sondern beispielsweise auch in der Jüdischen Allgemeinen. Über die Kontaktseite kann man Chajm eine Nachricht senden. Man kann/soll Chajm auch bei twitter folgen: @chajmke. Chajms Buch »Badatz!« 44 Geschichten, 44 zu tiefe Einblicke in den jüdischen Alltag, gibt es im Buchhandel und bei amazon. Sein Buch »Tzipporim: Judentum und Social Media« behandelt den jüdischen Umgang mit den sozialen Medien. || Um per Mail über neue Beiträge informiert zu werden, bitte hier klicken

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