Hass und Lebensgrundlagen

Die aktuellen Ereignisse und Diskussionen bestätigen einen Text, der kurz vor Har Nof geschrieben wurde. Eigentlich geht es um Jizchak und den Wochenabschnitt Toldot.
Aber am Rande geht es um Ereignisse rund um Brunnen:

Kaum haben Jizchak und seine Leute einen Brunnen fertiggestellt (19–20), kommen die Hirten Gerars. Obwohl sie oder ihre Verwandten vorhandene Brunnen zugeschüttet haben, wie der Text der Tora berichtet (26,15), und sie sich nicht für das Wasser interessiert haben, sagen sie nun: »Das ist unser Wasser!« Aber erst, nachdem Jizchak einen neuen Brunnen gegraben hat.
Volltext auf den Seiten der Jüdischen Allgemeinen

Wenngleich Wasser eine wichtige Lebensgrundlage ist, so werden Brunnen dennoch zugeschüttet: Das Gegenüber wird so sehr gehasst, dass man bereit ist, die eigene Lebensgrundlage zu zerstören.
Aktuell ist das, weil denjenigen, die in Israel Attentate begehen, bekannt ist, dass die israelische Regierung ihr Haus vermutlich zerstören wird. Eine umstrittene Maßnahme (aus der Zeit der britischen Mandatsregierung), die offenbar vor dem Hintergrund erdacht wurde, dass sich die Menschen wenigstens um das Wohl ihrer eigenen Familie sorgen und vielleicht auf sie Rücksicht nehmen würden.
Seit 2005 sollte diese eigentlich auch nur in extremen Fällen Anwendung finden.

Aber: weit gefehlt. Diese Empathie scheint nicht vorhanden zu sein.
Man überlässt dann die Arbeit der Propaganda der Bilder. Die entsprechenden Fernsehbilder haben dann auch die Wirkung, die man gerne hätte.
Hier trifft auch das zu, was ich über Jizchaks Brunnen schrieb:

Ihre Feinde hassen sie mehr, als dass sie an die Sicherung der eigenen Zukunft denken.
Volltext auf den Seiten der Jüdischen Allgemeinen

Von Chajm

Chajm Guski ist nicht nur Autor dieses Blogs und Bewohner des Ruhrgebiets, sondern auch Herausgeber von talmud.de und Organisator des Minchah-Schiurs im Ruhrgebiet. Einige seiner Artikel gibt es nicht nur im Internet, sondern beispielsweise auch in der Jüdischen Allgemeinen. Über die Kontaktseite kann man Chajm eine Nachricht senden. Man kann/soll Chajm auch bei twitter folgen: @chajmke. Chajms Buch »Badatz!« 44 Geschichten, 44 zu tiefe Einblicke in den jüdischen Alltag, gibt es im Buchhandel und bei amazon. Sein Buch »Tzipporim: Judentum und Social Media« behandelt den jüdischen Umgang mit den sozialen Medien. || Um per Mail über neue Beiträge informiert zu werden, bitte hier klicken

9 Kommentare

  1. Hier vergleichst Du aber das biblische Verhalten der Gegner des Urvaters mit der Reaktion israelischer Sicherheitskräfte. Zudem: ¿Soll Israel sich denn ohne Gegenwehr dem Terror aussetzen? Immerhin wird das Haus zerstört, in welchem der Attentäter seine Untat vorbereitet hatte. Dass die öffentliche Propaganda diesen Zusammenhang nicht sieht, ist bedauerlich.

    1. Danke für Dein Feedback!
      Eigentlich bezog der Vergleich sich auf diejenigen, die gegen ihre eigenen Interessen handeln, weil sie die Konsequenzen kennen. Diejenigen, die diese Konsequenzen »ausführen« wollte ich eigentlich nicht mit einbeziehen.

  2. Schkojach für den JA-Artikel.

    “We can forgive the Arabs for killing our children.
    We cannot forgive them for forcing us to kill their children.
    We will only have peace with the Arabs
    when they love their children more
    than they hate us.” (Golda Meir)

    In Anlehnung daran:
    Wir werden erst eine faire Berichterstattung bekommen, wenn
    CNN und BBC die Wahrheit mehr lieben als sie uns hassen.

  3. Das Zitat von Golda Meir ist schon SO abgegriffen… 🙁 🙁 und so hilflos.
    Es wird inzwischen selbst von denen zitiert, die ansonsten mit den “Zijoinim” eher so gar nichts am (schwarzen) Hut haben.

    Ich finde das Zitat u.a. deshalb so wertlos, weil ich das Gefühl bekomme, wir sprechen anderen Menschen ab, dass sie ihre Kinder lieben, vor allem “so wie wir”. Denn “wir” lieben sie natürlich, auch wenn wir selbst meist wenig dazu tun, um den Konflikt im Land zu entschärfen. Gehen wir auf die Strasse gegen neuen Siedlungsbau in der Westbank oder in Ostjerusalem, ganz grundsätzlich und erst recht dann, wenn es gerade das Unnötigste was zu tun ist und die Lage ohnehin schon scharf? Gehen wir auf die Strasse, um unsere Politiker zu mehr Anstrengung in Richtung Frieden zu bewegen? Oder zu mehr Anstrengung, um die ökonomische Lage im Land zu verbessern? Schreiten wir ein, wenn unsere Politiker aus lauter Hilflosigkeit oder Mutlosigkeit für andere Lösungen als Strafmassnahme erneut Häuser jener Familien zerstören, aus denen ein Attentäter stammt, wohl wissend, dass dies in der jüngeren Generation nur zu weiterem Hass und Ablehnung des Staates führt?
    Und haben wir Beweise, dass diese Strafmassnahmen dazu geführt haben, dass nie wieder Gewalt geschah?

    Woher nehmen wir es eigentlich, genau zu wissen, wer seine Kinder am meisten liebt?

    Von der Propaganda, die aus den arabischen Staaten kommt?
    Wissen wir, wieviele Menschen tatsächlich mit dieser Propaganda einverstanden sind? Wen bekommen wir gezeigt? Die Schreihälse – und wo sind die anderen? Wie riskant es ist, eine andere Meinung als die der Propagandisten zu haben? Wissen wir, wie hoch der Einsatz ist, “seine Kinder zu lieben” und für sie auf die Strasse zu gehen oder sonstige öffentliche Statements zu machen in Staaten, in denen schnell erschossen und geköpft wird?
    Wissen wir, wie riskant es ist, dort seine Meinung äussern zu dürfen?

    Und: sind wir uns so sicher, dass Goldas Worte KEINE Propaganda sind?

    Es ist immer leicht, sich in demokratischen Staaten selbstgefällig auf die Brust zu schlagen.
    Ich wünsche mir eigentlich, dass wir etwas mehr Bescheidenheit zulassen…

    Eine gute und friedliche Woche!

    1. “…wird inzwischen selbst von denen zitiert…”
      Was ist daran schlecht? Getreu dem Motto: בן זומא אומר, איזה הוא חכם–הלמד מכל אדם.

      “Woher nehmen wir es eigentlich, genau zu wissen, wer seine Kinder am meisten liebt?”
      Ein Gedankenexperiment: Nehmen wir an,
      – eine Seite benutze ihre Raketen, um ihre Kinder zu schützen,
      – die andere Seite benutze ihre Kinder, um ihre Raketen zu schützen.
      Welches Verhalten würden wir wohl mehr mit Kinderliebe assoziieren?

      “mehr Anstrengung in Richtung Frieden”
      Ich dachte, dazu gehörten zwei.

      “mehr Anstrengung, um die ökonomische Lage im Land zu verbessern”
      Die Ideologie des Hasses schert sich wenig darum, dass die Angriffe auf den vermeintlichen Erzfeind dem eigenen ökonomischen Wohlergehen schaden. War das nicht genau Chaim’s Punkt?

      So oder so:
      Ich dachte, seit Chamberlain wäre bekannt, dass “Appeasement” nicht funktioniert.

      “Wissen wir, wieviele Menschen tatsächlich mit dieser Propaganda einverstanden sind?”
      Ist das relevant für unsere Sicherheit? Vgl dazu dies.

      Zugegebenermassen ist es keine Heldentat und möglicherweise selbstgefällig, aus einer Demokratie heraus auf gewisse Sachverhalte hinzuweisen. Aber ist es deswegen sachlich unrichtig?

    2. Niemand behauptet, es beziehe sich auf eine ganze Gruppe von Menschen (das Zitat von Golda Meir), sondern auf konkret handelnde Menschen. Es ist doch nicht unbekannt, dass man die Attentäter als Märtyrer verklärt und Kinder mit dieser Ideologie impft. Die Taten habe doch diese Feststellung schon bestätigt?

      »Wir«? Der Staat Israel ist doch demokratisch organisiert? Es ist möglich, Mehrheiten zu organisieren und zu protestieren. Das dürfen die Menschen in Gaza nicht.

      Die Strafmaßnahmen sind doch bekannt und können diskutiert werden. Aber: Sie sind bekannt und dennoch wird das für die eigene Familie hingenommen. Viel mehr wird ja sogar zum Boykott der »Siedlungen« aufgerufen. Wohl wissend, dass viele arabische Familien aus dem Westjordanland auf das Gehalt derjenigen angewiesen sind, die dort arbeiten. Setzen die Firmen von dort aber nichts ab, müssen sie auch die Arbeiter entlassen. Prima Geschäft. Die Menschen haben kein Geld und keine Arbeit. Wem ist damit geholfen? Korrekt: Nur dem guten Gewissen der europäischen Friedensbewegten.

    3. “Das Zitat von Golda Meir ist schon SO abgegriffen”.

      Mir ging eben auf, dass dieses “abgeriffene” Zitat (in seiner ersten Hälfte) einen viel älteren Vorfahren hat:

      Zu בראשית 32:8 kommentiert 76:2 בראשית רבה (frei zitiert von רש”י zur Stelle)
      Er fürchtete sich, er könnte getötet werden ויירא ויצר: ויירא שמא יהרג,
      und es war ihm bang, er könnte andere töten ויצר לו אם יהרוג הוא את אחרים
      (Übersetzung: R. Dr. Selig Bamberger, erschienen bei S. Goldschmidt, Basel)

  4. Es ist nicht schwer den eigenen Brunnen zuzuschütten, wenn als Folge ein Cola-Automat aufgestellt wird. So passierte es in Israel, ein Haus wird zerstört und die Familie zieht in ein noch viel größeres Haus ein. Deswegen muss als Folge dieser “Sippenhaft”, der Familie auf lange Zeit die Lebensgrundlage genommen werden und nicht einfach symbolisch zerstört werden.

    Die Familien zu bestrafen, finde ich nicht falsch. In Deutschland wird eigentlich nicht auf Strafe, sondern Resozialisierung abgezielt. Ein Selbstmordattentäter kann aber nicht mehr resozialisiert werden, deswegen muss die Resozialisierung einer ganzen Gruppe erfolgen und das geht eben nur durch kollektive Strafen. In Deutschland würde sich wohl keine Familie trauen Gewalttaten derart zu glorifizieren, im Nahen Osten schon.

    In Russland werden Kollektivstrafen wohl erfolgreich im Kaukasus angewendet: In Tschetschenien können Terroristen „nahestehende“ Personen in Haft genommen werden. Die Anzahl der terroristischen Anschläge ist seitdem zurückgegangen. (-Wiki)

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