Mélanie & Emmanuel Mélanie & Emmanuel von Agence Tophos bei Flickr Creative Commons Lizenzvertrag

Verdammt! Daniel, dieses Schlitzohr, hatte es geschafft! Nur wie!? Vielleicht kam ihm sein beruflicher Erfolg ein wenig entgegen? Schmulik versuchte, das Geheimnis zu entschlüsseln: Eine winzige sechsstellige Starthilfe hatte er von seinem Vater bekommen, um sein »Unternehmen« aufzubauen. Schmuliks Vater hatte ihm seinen Führerschein bezahlt, also einen Teil davon. Genauer gesagt, die Gebühren für die erste Prüfung. Aber Schmulik war nicht nachtragend. Zurück zu Daniel.

Der hatte direkt ein paar Leute eingestellt. Es sollten Rasensamen für Golfplätze im ganz großen Stil verkauft werden. »Luxus ist der Schlüssel« hatte Daniel immer gesagt und war damit auf ganzer Linie gescheitert. Die Gärtner solcher Plätze, von den Golfern »Greenkeeper« genannt – so wie der »Schammes« jetzt wohl »Synagogue Facility and Service Manager« heißt – kauften nicht luxuriös ein, sondern besorgten sich das Zeug ganz unkonventionell bei normalen Großhändlern. Der Maybach stand vorm Clubhaus, nicht vorm Geräteschuppen.

Nach der kompletten Bruchlandung hatte Daniel aber einige interessante Kontakte in seinem Notizbuch und lieferte nun überteuerte Teile zur Bewässerung von Golfanlagen in die asiatischen Staaten, die früher zur Sowjetunion gehörten. Das Geschäft lief gut und so beteiligte sich Daniel als Mitinvestor über eine Investitionsfirma bald am Bau neuer Plätze – für die er mit der anderen Firma neue Anlagen lieferte. Eine Art finanzielles Perpetuum mobile. Solange jedenfalls, die politischen Verhältnisse »stabil« blieben, sagte Daniel. »Stabil« meinte, der aktuelle Machthaber blieb fest installiert. So fest installiert, wie »LSB«, der »Lawn Sprinkler Birdie«, das Flagschiff der Produkte aus Daniels Konzern. Sprinkleranlangen die er günstig im Baumarkt bekam. »Mach es zu Deinem Projekt« hatte er als Aufforderung verstanden.

Jedenfalls war das einträglich und das befähigte ihn, eine viel kompliziertere Aufgabe zu meistern: Unter die Chuppe zu kommen. Im ersten Schritt aber noch: An eine Frau zu kommen – mit Anfassen! Tatsächlich hat er das geschafft. Erst die Frau angefasst und dann, nur kurze Zeit später auch geheiratet. Er hatte es vor Schmulik geschafft!

Kennengelernt hatte er sie auf der Baustelle von einem der Plätze. Sie stand zufällig an Daniels Zweitwagen. Den fuhr er nur, wenn er kurze Strecken fuhr. Ein 6er Gran Coupé von BWM reichte, so Daniel, für 30 Kilometer. An seinem Auto knickte sie um – eine putzige Geschichte – und musste von Daniel gestützt werden. High-Heels auf Schotter. So kamen sie ins Gespräch. Und die Dame war sogar Jüdin! Nach einiger Zeit jedenfalls.

Als er Schmulik anrief und zur Hochzeit einlud, lief die Winterolympiade in Sotchi. Gerade wirbelten Frauen über das Eis. Ein junges russisches Mädchen fegte grazil über das Eis. Für einen Moment musste Schmulik innehalten. Gespielt wurde dazu die Filmmusik von Schindlers Liste. »Alter, was ist denn mit dir los? Guckst Du da Schindlers Liste? Ist es so schlimm?« »Was? Nein. Da läuft der Fernseher. Die zeigen wohl Eiskunstlaufen.« »Wie Eiskunstlaufen? Sind die krank? Zu so einer Melodie?« »Komm mal runter. Das ist die Musik zu einem Film. Das ist nicht der offizielle Soundtrack zur Schoah.« »Aber der Film handelt doch davon. Das ist ja ein Skandal.« »Ach. Musik zu einem Film. Nichts weiter.« »Nu. Ich muss das mal bei Facebook checken. Skandal.«

Dann lud er Schmulik ein und ein wenig später fand er Facebook-Freunde die sich über die Eiskunstläuferin empörten.

Dann die Hochzeit. Gutes Hotel, tolle Location. Daniel hatte nicht gespart. Er hatte sogar die gesamte Familie seiner baldigen Frau einfliegen lassen.

Sie sah topp aus, das fand sogar Schmulik. Langes Kleid, am Rücken tief ausgeschnitten. Schmulik nickte anerkennend. Der Rabbi hats nicht gesehen, weil sie sich immer zu ihm gedreht hat. Der Ausschnitt war allerdings so tief, dass der Rabbi fortwährend auf den Boden sah. »Daniel. Ich gratuliere. Sehr sehr charmant die Dame. Nettes Kleidchen.« »Ja. Hat sie ausgesucht. Sie hat ein Händchen dafür, was teuer und gut ist. Die Hochzeit hat sie geplant. Komplett. Bis ins Detail.« »Auch die Flamingos in der Eingangshalle?« »Ja. Genau. Sie liebt Flamingos.« Zebras mochte sie scheinbar auch. Kinder konnten auf Zebras reiten! »Das hat alles sie vorbereitet. Auch den Wein, den Champagner. Das Porzellan. Einfach alles!« »Luxus ist der Schlüssel« sagte Schmulik. Daniel war irritiert.

Ein Moderator begrüßte die Anwesenden auf Russisch und Tatarisch. Daniels neue Familie sprach das anscheinend. Eine Moderatorin auf Hebräisch und Englisch. Nicht schlecht. Hatte die Dame des Hauses ausgesucht und geplant. Nett, dachte Schmulik. Die Moderatorin war gemeint. Mit ihr wollte Schmulik im Verlauf des Abends auf jeden Fall ins Gespräch kommen. Hebräisch oder Englisch – ganz egal. Sie würden wohl auch ohne Worte auskommen, schätze Schmulik. Aber nun wurde es wohl Zeit für die Chuppah. Kippot regneten vom Himmel. Alle waren gerüstet. Es ging los. Die Braut baute sich auf. Der Brautvater sah zu ihr hoch und bot ihr seinen Arm an. Entschlossen zog sie los. Daniels letzte Minuten in Freiheit hatten begonnen. Die Musik setzte ein. Schmulik stand neben Daniel und trug einen Stab der Chuppah. Gespielt wurde: Die Titelmusik von Schindlers Liste! »Was ist denn hier los? Ihr spielt diese Musik?« Schmulik war verwirrt. »Wer hat denn gesagt, das sei nur die Musik von irgendeinem Film? Außerdem meinte Irina sie hätte etwas jüdisches und sehr langsames für die Feier gefunden.« »Mazel Tov, Daniel, Mazel Tov«