Irgendwann muss die Konzertreihe Klezmerwelten einfach wegbrechen und die gefällige Klezmerkost anbieten, die der Zuhörer erwartet. Fröhliches Musikantenschtetl. Bisher ist es nicht der Fall. Am Abend des 31. Oktober ging es im Saal der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen jedenfalls damit weiter, Erwartungen zu durchkreuzen und zu zeigen, dass Klezmer auch mehr kann, als irgendwie so zu tun, als sei es der Soundtrack zu einem traurigen Film über die jüdische Geschichte. Wer daran Interesse hat, dem wird gerade von Ben Becker die passende Kost serviert.

Daniel Kahn Daniel Kahn Letztendlich war es da nur folgerichtig, dass dann auch Daniel Kahn & The Painted Bird eingeladen wurde. Der bemühte sich redlich, zwischendurch möglichst grimmig zu wirken - ganz wie seine Songs. Keiner wollte schmeicheln oder den Zuschauer mit Nostalgie streicheln. Statt dessen zeigte er uns allen, warum Mordechaj Gebirtig ein Genie war und wie aktuell seine Texte noch heute sein können - wenn man sie gekonnt in die heutige Zeit überträgt und genau das macht Daniel Kahn mit seiner Gruppe (Hampus Mehlin am Schlagzeug, Michael Tuttle am Kontrabass, Jake Jake Shulman-Ment an der Geige). Aber nicht nur klassische jiddische Texte überträgt Daniel Kahn, sondern auch Texte von Leonard Cohen (seinem Rabbi, wie Daniel Kahn sagte) und Franz Josef Degenhardt. Dessen die alten Lieder hat Kahn ins Englische und Jiddische übertragen und mit einer zeitgemäßen Note versehen. Stets ein wenig ironisch. Bei der Interaktion mit dem Publikum fragt man sich, was er wohl von ihm hält? Kennt er die verschiedenen Erwartungshaltungen an Klezmer im Allgemeinen und an ihn im Besonderen? Ist das noch Klezmer? Bestimmt, aber nicht der Klezmer der Celan-Feidman-Fraktion. Immer wieder warf sich Kahn in Pose, riss mehrmals die Faust nach oben und gab sich kämpferisch. Unterstützt wurde Kahn übrigens zwischendurch von Ilya Shneyveys am Flügel und Merlin Shepherd an der Klarinette. Am Ende lud er die Kinder und Jugendlichen des Klezermerworkshops Gelsenkirchen nach vorn. Nach dem Konzert bestand kein Zweifel daran, dass den Workshop-Teilnehmer gezeigt wurde, wie man zeitgemäß mit diesem Teil der jüdischen Kultur heute umgeht. Ein rundes Bild ergab sich auch deshalb, weil alle anderen Dozenten vor Daniel Kahn auftraten und zeigten, was sie musikalisch können. Shakir Ertek, Miléna Kartowski, Diana Matut und Deborah Strauss traten miteinander und als Solisten auf und zeigten ihre individuellen Stärken.

Anhand des ארבעטלאזע מארש Arbetloze marsch (der auch in Gelsenkirchen aufgeführt wurde) von Mordechai Gebirtig kann man ganz gut sehen, was Daniel Kahn mit den alten Stücken heute anstellt: