Wer mit ein wenig Verstand und Aufmerksamkeit ausgestattet ist, der hat einen Blick für bestimmte Geschäftsjubiläen.
In diesem Jahr ist es die 75. Wenn man von 2013 aus 75 Jahre zurückrechnet, landet man im Jahr 1938. Im Herbst des Jahres kamen viele deutsche Geschäftsleute günstig zu neuen Geschäften. Ein Beispiel: Schalkespieler Fritz Szepan kam so recht günstig an das Geschäft Julius Rode & Co am Schalker Markt in Gelsenkirchen. Oder Josef Neckermann, der von Siegmund Ruschkewitz dessen Textilkaufhaus in Würzburg erwarb.
Grundlage dafür war die »Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben« (RGBl. 1938 I, S. 1580) vom 12. November 1938. Mit dieser Verordnung wurde Juden der Betrieb von Einzelhandelsverkaufsstellen sowie die selbständige Führung eines Handwerksbetriebs mit Wirkung zum Jahresende 1938 untersagt. Jüdische Inhaber waren also gezwungen, ihre Geschäfte aufzugeben und weit unter Preis zu verkaufen. Für die Käufer eine bequeme Ausgangslage: Ein Verkäufer, der mit dem Rücken zur Wand steht und verkaufen muss.
In dieser Woche feierte das, sehr bekannte, Düsseldorfer Bettenhaus Hönscheidt die 75. Ein Jubiläum also. Daraufhin meldete sich die Jüdische Gemeinde Düsseldorf (siehe Berichte hier und hier) und erinnerte daran, dass das Bettenhaus keineswegs 75 Jahre alt würde, sondern eigentlich Fritz Grossmanns Familie das Geschäft 1865 eröffnet habe. Die Inhaberin wiederum sieht nichts kritisches daran. In einer Stellungnahme, die auch auf der Website publiziert wurde, heißt es, die Militärregierung und das Amt für Wiedergutmachung hätten den Fall geprüft und den Fall 1950 juristisch abgeschlossen. Was nichts am Einwurf der Jüdischen Gemeinde ändert, denn der geht es um den früheren jüdischen Inhaber.
Schauen wir mal, welche Geschäfte in diesem Jahr die 75 noch ins Fenster hängen.
Ich erinnere mich an den Sommer 1988 als ich mit einer Freundin einige Ferienwochen in der fränkischen Schweiz verbrachte. Dauernd stießen wir auf geschmückte Schaufenster, die auf 50jährige Geschäftsjubiläen hinwiesen. Wir schauten uns immer wieder fassungslos an. Niemand fand etwas dabei.
Dieses Jahr ist mir in meinem Umfeld noch kein 75jähriges Firmenjubiläum aufgefallen.
@IWe Im vergangenen Jahr berichtete die Lokalzeitung über die Bemühungen von Schalke 04, die Geschichte des Vereins kritisch aufzuarbeiten. In dem Artikel ging es natürlich auch um die Arisierung.
Ergebnis waren Leserbriefe, die darauf hinwiesen, dass das ja wohl nichts ungewöhnliches gewesen sei «Das haben alle gemacht» war der Grundton und ich denke, das ist auch eine weit verbreitete Haltung.
Über die jüdische Vergangenheit von L&T hätte ich vermutlich nie was erfahren, wenn ich nicht irgendwann eine sehr geschichtsinteressierte Lehrerin gehabt hätte. Erst 2011 wurde eine Tafel angebracht, die an die ehemaligen Besitzer erinnerte – und zwar IM Kaufhaus. Man muss also erst reingehen, um sie zu sehen. Immerhin gibt es auf der Internetseite des Unternehmens einen deutlichen Hinweis. (Wobei ich mich frage, wer die besucht.)
Mir als nichtbetroffenem Spätgeborenem wäre das wahrscheinlich nicht so aufgefallen, daher besonderer Dank für den Artikel, zumal ich seit vierzehn Jahren in Nürnberg lebe und auch von daher sensibilisiert bin. Jetzt werde ich auch mal nachsehen, was für ein Geschäft (wenn überhaupt) in der Ludwigstrasse 27 heute existiert.
http://www.brenk-wohnen.de/geschichte/
Es gibt ein sehr gutes Buch über die Arisierung in Mannheim. Hier werden “Ross und Reiter” genannt
http://www.weltbild.de/3/17803417-1/buch/ausgepluendert-zurueckerstattet-und-entschaedigt-arisierung.html?wea=8064234#information