Ulm Sattlergasse Neue Synagoge 2012 11 03

In Ulm wurde am 2. Dezember eine Synagoge eröffnet - übrigens hat Chabad dort mit dem Aufbau einer Gemeinde begonnen. Das ist für die Gemeinde erfreulich und üblicherweise ist die Berichterstattung der lokalen Presse recht wohlwollend. Häufig sorgen Politprominenz und die Erföffnungsfeierlichkeiten für ausreichend Stoff zur Berichterstattung. Die Ulmer Südwest Presse übernimmt das in diesem Fall und ist nicht nur ein wenig überfordert von der Thematik: »Am Sonntag Umzug mit Tora und vielen Reliquien« - was eine Reliquie ist, kann man bei Wikipedia nachlesen. Nicht optimal, aber kein Einzelfall und verschmerzbar. Beachtenswert im negativen Sinne ist jedoch der Kommentar des Lokalblatts, mit dem Titel »Wie sehr unter uns?«, der noch einmal die Haltung zeigt, die die Atmosphäre für Juden in Deutschland vergiftet hat. Der Autor der Südwest Presse:

»Wie schwer in einem nachkriegsverfassten Deutschland allein das religiöse Miteinander fällt, zeigt die Debatte über ein Beschneidungsgesetz, die die jüdische Orthodoxie zweifeln ließ, ob Juden überhaupt willkommen seien.«

Da kann man noch sagen: »Augenblick mal - das war nicht nur ein orthodoxes Thema«, aber dann kommt der Knüppel geflogen - die Standardargumente der Beschneidungsgegner:

»Das ist eine ungerechte Frage in einer säkularen Gesellschaft, in der Staats- über Religionsrecht geht und in einem Land, dessen Grundgesetz die körperliche Unversehrtheit schützt.«

Oder anders formuliert: Seid doch dankbar, dass ihr hier leben dürft. Ein Satz folgt, den man irgendwie auch als Drohung verstehen kann:

»Die Juden müssen darauf gefasst sein, dass, sollte der Berliner Regierungsentwurf Gesetz werden, dieses Gesetz vor dem Verfassungsgericht standhalten muss.«

Und wenn dem Judentum dann einmal die Beschneidung aberzogen ist (und vielleicht auch die anderen jüdischen Sachen, die so jüdisch am Judentum sind):

»Das Judentum hat wieder Platz gefunden mitten unter uns. Zunächst einmal baulich. Aber das immerhin.«

Der Titel des Artikels »Wie sehr unter uns?« scheint also fast rhetorisch zu sein und widerspricht dem Geist des Aufbruchs der wehen sollte, wenn in einer Stadt eine Synagoge eröffnet wird. Eine öffentliche Einzelmeinung? Vielleicht. Bei flickr stolperte ich auch über eine Bildunterschrift zum Thema Synagoge Ulm (von einer anderen Person):

Jüdisches Leben in Deutschland. Gut, daß es das wieder gibt. Doch das ist kein Grund, Beschneidungen zuzulassen oder den Palästinern die Anerkennung zuiverweigern. von hier

Gute und positive Stimmung geht anders. Dazu vollkommen sinnfrei: Wir wollen jüdisches Leben, aber ohne Judentum bitte.

Bild von Andreas F. Borchert [CC-BY-SA-3.0-de, CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 or GFDL], via Wikimedia Commons