Sprechen über Chabad kann spannend sein und dazu führen, dass man über die eigenen Strukturen spricht und sie hinterfragt. Wenn man in einem jüdischen Umfeld über Chabad spricht jedenfalls.

Am 2. Mai lud die Alte Synagoge Essen in der Reihe Donnerstagsgespräche zu einem Vortrag über Chabad. Die Veranstaltung wurde auf Facebook so angekündigt:

Vortrag: Die Lubawitscher Chassidim eine jüdische fundamentalistische Strömung

Tatsächlich aber wollte der Referent, Professor Micha Brumlik diesen Standpunkt so nicht teilen und sieht in den Anhängern von Chabad keine Fundamentalisten. Tatsächlich war dies eine Frage aus dem Publikum, das nahezu ausschließlich aus interessierten Nichtjuden bestand. Vielleicht waren drei Juden im Publikum und tatsächlich richtete sich der Vortrag eher an Einsteiger in die Materie. So schilderte Professor Brumlik in nucem die Geschichte der drei Rebben, streifte die spezielle Sicht von Chabad aufs Judentum und verweilte etwas länger bei den Punkten, denen man häufiger begegnet, die aber für Chabad offenbar nicht im Zentrum des Interesses stehen. Zum einen, dass die Seelen der Juden sich von denen der Nichtjuden unterscheiden (Übersetzung des Textes aus dem Buch Tanja und Kommentar dazu hier). Zum anderen, dass es Chabadniks gibt, die im letzten Rebben den Maschiach sähen. Beide Details sind ein wenig überholt. Dass Rabbiner Menachem Mendel Schneerson der Maschiach sei, ist keine Mainstream-Annahme innerherhalb von Chabad. Das schob Professor Brumlik später jedoch auch nach. Kurz erwähnt wurde, was heute im Vordergrund der (erfolgreichen) Arbeit von Chabad im Vordergrund steht, nämlich das Engagement der Familien des jeweiligen Rabbiners.

Vor einem jüdischen Publikum hätte man vielleicht die Frage diskutieren können, wie Chabad es schafft, Infrastrukturen zu schaffen, wo etablierte Gemeinden zuvor scheiterten. Lokale Fragen nach dem Wirken wurden aus dem Publikum gestellt, konnten aber nicht hinreichend beantwortet werden, weil Professor Brumlik aus Frankfurter und Berliner Perspektive berichten konnte, die lokalen Konstellationen nicht kennt. Die Fakten waren weder neu (für engagierte Juden jedenfalls nicht), noch spannend. Vielleicht, weil der Vortrag auf ein nichtjüdisches Publikum zugeschnitten war, fehlten Verweise auf die, für Deutschland ja recht neue, Konkurrenz zwischen verschiedenen Strömungen und Auffassungen darüber, wie Gemeinden organisiert sein sollten. Der Zielgruppe dürften die Informationen ausgereicht haben, um selber tiefer in die Materie einzusteigen.

In weiten Zügen wurden die bisherige Ausführungen von Professor Brumlik zum Thema Chabad etwas unspektakulärer präsentiert und weniger zugespitzt. Das emotionalisierte und elektrisierte natürlich nicht besonders und lies den Abend etwas brav geraten. Jedenfalls braver, als ich es erwartet hätte. Übrigens ist es begrüßenswert, dass man überregional bekannte Referenten einlädt und den Meinungsaustausch nun zumindest ermöglicht hat. Eine stärkeres jüdisches Interesse wäre auch begrüßenswert.