Anzahl schrumpft schneller

Die Jüdische Gemeinschaft in Deutschland schrumpft weiter und das mit erhöhter Geschwindigkeit. Schrumpfte die Gesamtzahl der Gemeindemitglieder vom Jahr 2008 auf das Jahr 2009 um 1 Prozent, so schrumpfte die Zahl von 2009 auf Anfang 2010 um 2 Prozent. Jährlich gehen so viele Menschen verloren, wie eine recht große Gemeinde in Deutschland Mitglieder hat. Der Trend setzt sich also fort. Die neue Mitgliederstatistik für das Jahr 2009 der ZWST unterstützen die Thesen, die ich im vergangenen Jahr (hier) aufstellte. (Bilder für Großansicht anklicken)

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Was wir erfahren, ist nicht sehr ermutigend. Es gibt Landesverbände die wachsen, aber die überwiegende Mehrheit schrumpft. Mitglieder 2010 meint natürlich, wieviele Mitglieder es am 31. Dezember 2009 waren. In den ersten Spalten sehen wir die Zahlen aus dem Jahr 2008 und ihre Veränderung zum Jahresende und die Anzahl der Juden zu Beginn des Jahres 2009. Hier aufgeschlüsselt in die einzelnen Landesverbände.

Gesamtstatistik 2008-2010 - Klick für Großansicht

Von Chajm

Chajm Guski ist nicht nur Autor dieses Blogs und Bewohner des Ruhrgebiets, sondern auch Herausgeber von talmud.de und Organisator des Minchah-Schiurs im Ruhrgebiet. Einige seiner Artikel gibt es nicht nur im Internet, sondern beispielsweise auch in der Jüdischen Allgemeinen. Über die Kontaktseite kann man Chajm eine Nachricht senden. Man kann/soll Chajm auch bei twitter folgen: @chajmke. Chajms Buch »Badatz!« 44 Geschichten, 44 zu tiefe Einblicke in den jüdischen Alltag, gibt es im Buchhandel und bei amazon. Sein Buch »Tzipporim: Judentum und Social Media« behandelt den jüdischen Umgang mit den sozialen Medien. || Um per Mail über neue Beiträge informiert zu werden, bitte hier klicken

46 Kommentare

  1. Inwieweit sind diese Zahlen denn aus “umfassender” Quelle? Es hat doch diverse “Ausgründungen” von Gemeinden gegeben, die nicht zwangsläufig im jeweiligen Landesverband organisiert sind. Nicht jede jüdische Gemeinde gehört dem Zentralrat an. Sind die Unionsgemeinden mit in der Statistik erfaßt?

  2. @Chaja Die Unionsgemeinden sind zum Teil erfasst. In der Liste sind ja zwei liberale Landesverbände wiedergegeben. Bielefeld ist ebenfalls eine Unions/Zentralsratsgemeinde. Ansonsten gibt es, meines Wissens nach, keine öffentliche Liste mit den Mitgliedszahlen der entsprechenden Gruppen.

  3. Ein paar Beobachtungen:
    – Drei Viertel aller aus dem Nicht-GUS-Ausland zugewanderrten gehen nach Frankfurt oder Berlin.
    – Die beiden liberalen Verbände haben die extremsten Veränderungen. Schleswig-Holstein 5% plus, Niedersachsen 22% minus durch “sonstige” Abgänge. Was jemand, was dahintersteckt?
    – Übertritte sind diesmal etwas gleichmäßiger verteilt.
    – Bei registrierten Geburten gibt es eine leichte Verbesserung, aber es ist immer noch ziemlich schwach. Die Verteilung ist auffallend ungleichmäßig.
    – Zur Orientierung: Ein jährliches Minus von 2% ergibt eine Halbwertszeit von 33 Jahren! -1% jährlich entspricht einer Halbierung in 69 Jahren, -3% entspricht einer Halbierung in 23 Jahren. Einige Gemeinden/Landesverbände müssen sich warm anziehen….

  4. @Esther:
    Wenn Du Dir die Zahlen näher anschaust, wirst Du feststellen, dass nur ein kleiner Bruchteil von 5% der Abgänge auf Auswanderung (und nicht notwendigerweise nach Eretz Jisroel) zurückzuführen sind. Die Zahlen schrumpfen nicht zuletzt wegen Überalterung und einer lächerlich geringen Geburtenrate. Inwiefern würde Alijah daran etwas ändern?

  5. @Esther

    100% richtig, ich habe mich gefreut als ich diese Statistik gesehen habe.

    Ich finde, man sollte Deutschland den Reformjuden überlassen, alle anderen machen dann Aliyah. 20 Jahre später sind dann auch die verschwunden durch Mischehen. Religiös heiraten geht ja auch nicht und Scheidungen kennt das reformjudentum ja auch auch nicht.

    Leider ist das alles nur ein Wunschtraum.

    Shavuah Tov

    ML

  6. @ML Ja, schöne Provokation. Hier im Blog gab es schon intellektuell herausforderndere davon. Das Problem daran ist: Diese Einwürfe werfen ein schlechtes Licht auf den, der sie äußert. Keinen Respekt zu haben vor den Überzeugungen anderer, ist kein schöner Charakterzug. Laschon HaRa ist es darüber auch.

  7. Nein, ist es nicht. Kannst Dich ja mal darüber informieren wie einige Rabbiner, Rav Moshe Feinstein (sel) beispielsweise, das Reformjudentum bezeichnet haben.
    Es wurde sogar als neue Religion, ähnlich dem Christentum, angesehen.
    Wer Torah und Mitzwot absichtlich und mit vollem Bewusstsein aufgibt, der stellt sich ausserhalb des jüdischen Volkes. Das kannst Du auch in der Haggadah und entsprechenden Kommentaren nachlesen.
    Ausserdem spreche ich hier niemanden persönlich an.

    Gruss

    ML

  8. @Chajm:
    “Keinen Respekt zu haben vor den Überzeugungen anderer, ist kein schöner Charakterzug.”
    Das ist ein wenig zu einfach. Du wirst mir vermutlich zustimmen, dass die Torah da deutlich differenzierter ist.

    “Laschon HaRa ist es darüber auch.”
    Nur zur Erinnerung: Laschon haRa ist per Definition wahr.

  9. @ ML

    soweit wird es nie kommen, denn für die unzähligen orthodoxen “rabbiner” aus Israel ist die BRD ein leckerer Arbeitsplatz der gut bezahlt und nicht sonderlich viel herausfordernd ist, also dein Wunschtraum wird nie in erfüllung gehen!!!

  10. @Konstantin Pal

    Zumindest sind das Rabbiner, im Gegensatz zu Leuten die nie eine Yeshivah von innen gesehen haben, geschweige denn eine Smicha haben. Da wird Judaistik studiert und fortan nennt sich die Person Rabbiner.
    [Absatz entfernt]
    Aber grundsätzlich stimmt schon was Du sagst, Rabbiner verdienen für oft weniger Arbeit gutes Geld.

    Mein Wunschtraum wird vermutlich nie in Erfüllung gehen, es sei denn der Druck von Aussen wächst.

  11. Was kümmert es DICH was Rav Feinstein gesagt hat? Würdest Du Dich daran gebunden fühlen? (Kein böser Unterton!)

    In Igrot Moshe kann man das alles nachlesen oder meinst Du Rav Feinstein hätte jemals eine Person zur Torah aufgerufen die einen Reformgiur gemacht hat? Ganz sachlich gefragt.

    Beispielsweise sind Reformhochzeiten bestenfalls safek kiddushin weil augenscheinlich keine koscheren Zeugen vorhanden sind.
    Man könnte das jetzt weiter ausführen, würde aber hier nichts bringen.

    Ich will nicht weiter in das Thema gehen weil Du Dich offensichtlich persönlich involviert fühlst und ich Dich nicht persönlich angreifen will.

    Gruss

    ML

  12. @Chajm:
    “Du beziehst Dein halachisches Wissen aus der Wikipedia?”
    Eher nicht. Es ist eine online leicht zugängliche Quelle.
    Ich bezog mich spezifischer auf Hilchos Rechilus vom Chofetz Chajm (Kapitel 8 oder 9, habe es gerade nicht vor mir.)

    Bzgl R. Moshe Feinstein und Rauchen: Mir scheint, Du zitierst seine Teschuwa entstellend. Halacha unterscheidet zwischen verschiedenen Gefahrenkategorien, die sich kurz als mittelbare (unerwünscht, aber erlaubt) und unmittelbare Gefährdung (verboten) charakterisieren lassen. Er gruppierte Rauchen in Kategorie 1. Wir erlauben ja auch Autofahren, trotz der Verkehrstoten. Die Gefährdungsklassifizierung hängt damit zusammen, was die Gesellschaft aus “normales Risiko” ansieht. Im Zuge der seit 1981 weiter verbesserten Datenlage verbieten die meisten Poskim heute das Rauchen.

    @ML:
    Du würdest Dich wundern, wer so alles einen “orthodoxen” Gijur hat…

  13. “Die jüdische Gemeinschaft schrumpft (in Deutschland)” … och, Ihr Ärmsten! 🙂 Und nun? Was tun wir jetzt, damit wir nicht aussterben? 🙂 Missionieren tun wir ja nicht, aber wie wäre es, wenn wir all die Übertrittwilligen aufnehmen und in die Gemeinden integrieren? Das wäre zumindest ein Anfang! Aber damit tut Ihr Euch in Deutschland ja schwer – na ja, das hatten wir ja schon vor zwei Jahren bei den Konversionen, durchgeführt von einem amerikanischen Rabbi!

    Shalom

    Miles

  14. @Miles
    Gestrichen werden nur Kommentare besonders uneinsichtiger Personen 🙂 Es hat sich herausgestellt, dass der Kommentierer ML 1.) nicht auf Mails antwortet und 2.) hier bereits unter einem anderen Namen gepostet hat und gesperrt wurde. Es ist meine Schuld, dies nicht rechtzeitig bemerkt zu haben…

  15. @Miles:
    “wie wäre es, wenn wir all die Übertrittwilligen aufnehmen und in die Gemeinden integrieren?”
    Meinst Du das als Problemlösung oder als Zeitgewinn? Inwiefern als als Lösung taugt, ist mir tendenziell unklar, wenn ich mir anschaue, wie sich so mancher akzeptierte Gijur-Kandidat in der Folge entwickelt hat. (Und oft genug war das vorhersehbar!)

    “Was tun wir jetzt, damit wir nicht aussterben?”
    Es soll ja auch noch herkömmliche Methoden geben, eine nächste Generation in die Welt zu setzen 😉 …. und zu erziehen!

  16. @Yankel
    @Yael

    Es gibt »solche und solche«. Von beiden Parteien gibt es da Kandidaten.

    Generell ist das aber nicht die Lösung für das Dilemma der schrumpfenden Gemeinden und der immer kleiner werdenden Zahl von Juden in Deutschland (beides muß ja nicht zwangsläufig in Korrelation stehen). Zum Teil hat Yankel mit seiner biologischen Lösung recht, zum Teil sollte man diejenigen wiedergewinnen, die gerade dem Judentum den Rücken zudrehen. Vielleicht kann es auch nicht schaden, wenn sich besonders aktive Zentren entwickeln.

  17. YM:

    natürlich als Problemlösung UND als Zeitgewinn! Zudem: wenn ich mir anschaue wie sich viele ‘geborenen Juden’ entwickelt haben, dann folgen die wenigen ‘laschen Gijur’is’ doch nur der allerbesten jüdischen Tradition. Insofern ist m.E. alles im Lot! 🙂 Übrigens: sind es nicht gerade die Konvertiten, die immer anfangen zu würgen, wenn sie sehen, wie ein ‘schon immer Jude’ sein Schinkensandwich mit Rührei und Speck verzehrt? 🙂

    Zu den Methoden fällt mir nur ein leises hmmm ein! Schliesslich lassen sich die jungen Jüdinnen heutzutage auch nicht mehr so einfach bis zum achten Kind hin durchknattern! 🙂 Sagen mir jedenfalls meine Töchter und leben uns das auch vor! 🙂

    Shalom

    Miles

  18. @Yael:
    Man sollte nicht unbedingt von Deutschland auf den Rest der Welt schliessen. Es gibt auch noch geborene Juden, die in x-ter Generation Ahnung haben. Vielleicht haben wir verschiedene Kategorien von Gerim erlebt.

    @Chajm:
    Klar sollte man auch die Entfremdeten zurückzugewinnen versuchen. Es ist aber nun mal viel schwieriger, ältere zu erziehen als jüngere. “Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.”

    @Miles:
    Was viele geborene betrifft, hast Du natürlich recht. Dann sehe ich aber immernoch nicht, inwiefern das eine längerfristige Lösung ist. Jemanden zu konvertieren, dessen Nachfahren uns wieder verloren gehen, scheint mir mehr der Sysiphus-Ansatz zu sein.

    Man braucht keine “acht” Kinder, um die Bevölkerung stabil zu halten. Zwei, die jüdisch bleiben, würden dafür schon reichen. Zur Zeit sind es eher weniger als 1.3, und von wählt die Mehrheit auch noch nichtjüdische Partner und hat mehrheitlich nichtjüdische Nachfahren.

  19. @ Yael

    das trifft ber auch für die Kandidaten aus den Reformkreisen, die es dann manchmal übertreiben.

    @ YM

    Konversionen sind in meinen Augen auch keine Lösung, aber die sind notwendig , durch die gewinnen die Gemeinden aktive Mitglieder, die für die Gemeinden was tun. Ich habe ja schon mal vor paar Treads geschrieben, dass die Lösung der Neeman Kommision für Deutschland, die beste Lösung wäre, vor allem wegen unseres Einheitsgemeinde Modells, leider sind wir von dieser so wiet entfernt wie vom Jupiter.

    @ Miles

    zeig mir bitte heute jemanden in Deutschland, der 8 Kinder in die Welt setzt, ausser einen Rabbiner in Berlin (12oder 13) kenne ich niemanden

  20. @Yael:
    Ich kenne auch sehr, sehr ernsthafte. Einige haben nach einer ganzen Weile frustriert aufgegeben, weil sie mit der real existierenden Judenheit nicht zurecht kamen.
    @KP:
    Klar, ich kenne auch etliche Gerim, die eine wahre Bereicherung für das jüdische Volk und ihre Gemeinden sind. Aber die haben eben keine “Billig-Konversion” zu Heiratszwecken gemacht, sondern das volle Programm.

  21. Ich sage es doch schon die ganze Zeit: wir brauchen einfach mehr Nachwuchs, sonst sterben wir aus! Die Statistik belegt es! Gern gesehen sind deshalb neben Immigranten auch Konvertiten, egal ob Reform, Liberal oder Orthodox! 🙂 Wie sagte mein Rabbi einmal so schön: “Wir haben die beste Religion aber das schlechteste Marketing”! Wie wahr, wie wahr! 🙂

    Shalom!

    Miles

  22. @Serdar: so sehr ich dem Islam meinen Respekt zolle, aber gab’s da in der jüngeren Geschichte des Europäischen Judentums nicht ein Ereignis, das einen direkten Vergleich etwas komplizierter macht, als Du zu vermuten scheinst? 🙂
    Ausserdem nimmt der Headcount der Menschen, die sich zum Islam bekennen, nun wahrlich nicht ab, oder? Nur wir Juden (und die Parsen, glaube ich) schmelzen dahin! 🙂

    Shalom!

    Miles

  23. Und denjenigen, die gern aus der Feder eines führenden jüdischen Denkers einen Einblick gewinnen würden, was aus Sicht der Torah das Problem mit dem Zählen von Juden ist, sei in diesem Essay das Kapitel “Jewish Responsibility” zur Lektüre anempfohlen.

    Wünsche ein erleuchtendes Chanukkah.

    YM

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