There was a mesusah

Man parkt den Wagen in der Innenstadt, geht um das Auto herum und wundert sich, dass es in Gelsenkirchen auch ein paar schöne alte Häuser gibt. Ich bewundere eine nette Haustür und entdecke die überspachtelte Stelle oben rechts im Rahmen der Tür. Neigungswinkel und Höhe würden passen. Es könnte die Aussparung für eine Mesusah sein. Ich bin offensichtlich ein Freak, weil ich Dinge uminterpretiere, damit sie in mein Weltbild passen. Dennoch beginne ich vorsichtshalber eine kleine Recherche und finde Bestätigung. Das Haus Husemannstraße 75 wurde 1921-1922 von einem Architekten namens Josef Franke für den Kinderarzt Dr. med. Max Meyer erbaut und Dr. Max Meyer war orthodoxer Jude. Wenn man hinabtaucht in seine Geschichte, erfährt man, dass er in der Stadt eine Austrittsgemeinde Adass Jisroel gründen wollte:

Geboren am 10. Februar 1884 in Gelsenkirchen, (nach 1969 New York) Dr. med., Kinderarzt, Hindenburgstr. 75. Studiert in Straßburg, München, Berlin, Approbation 1909; Dissertation Berlin 1909. Mitteilung über die Aberkennung des akademischen Grades veröffentlicht in »Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger« am 17. Januar 1941, Medizinische Fakultät Berlin. 10.5.1939 Emigration zunächst nach London, 83 Lordship Park, N16. Ehefrau folgt über Belgien im Januar 1940: gemeinsam weiter nach den USA. License 40, Ped. 645 West End Ave., New York City aus: »Jüdische Kinderärzte 1933-1945« von Eduard Seidler, Karger, 2007.

Dort gibt es auch einen Hinweis auf Meyers Aktivitäten in der orthodoxen Vereinigung. Mehr gab es nicht. Monographien über die jüdische Geschichte der Stadt enthalten fast ausschließlich Informationen über die liberale Gemeinde. Wenn man die Quellen betrachtet ist es klar. Fast alle beziehen sich auf Personen, die früher dort Mitglied waren und wenig über die orthodoxe Gemeinde berichten wollten. Derzeit suche ich nach der Enkelin von Dr. Meyer, die vermutlich in Monsey lebt und auch Medizinerin sein soll. Wie ich bisher erfahren habe, war das Haus von Dr. Meyer der zentrale Ort für die lokale Orthodoxie. Es gab dort einen Raum für gemeinsame Gebete, er zahlte einen Rabbiner und er organisierte von dort aus zahlreiche Aktivitäten. Übrigens zusammen mit dem Vater von Recha Fröhlich, der Frau des nicht ganz unbekannten Shimon Schwab mit dessen Sohn ich ebenfalls Kontakt aufnahm, um mehr über die lokale Orthodoxie zu erfahren. Die Ergebnisse halte ich laufend hier fest. So brachte mich eine Haustür zu einem verblüffenden Mann, der mit persönlichen Mitteln und viel Einsatz versuchte, etwas aufzubauen aber dessen Wirken in seiner Heimatstadt vollständig in Vergessenheit geraten ist.