Stopp Ja Die Schweiz ist ein Land, in dem es ganze vier Minarette gibt (wie Jörg Lau informiert) und nun gibt es kaum einen Ort im Internet, an dem sich Befürworter und Gegner der Schweizer Volksabstimmung nicht heftigst angehen. Das ist beim erwähnten Blogeintrag von Jörg Lau der Fall, aber beispielsweise auch bei Spreeblick. Dabei gibt es einige wenige Punkte die man der Diskussion noch hinzufügen kann. Während einige das (vorläufige?) Minarettverbot als Sieg der direkten Demokratie feiern, schlagen andere die Hände über dem Kopf zusammen. Kann also die direkte Demokratie direkte Grundwerte - und das Recht auf freie Religionsausübung ist ein solches, zumindest im deutschen Grundgesetz (Artikel 4, §2) - aushebeln? Was ist, wenn morgen mit 50,1 Prozent der Stimmen beschlossen wird, Nichtchristen aus dem Land zu verweisen? Oder die Ausübung des Judentums aus irgendeinem Grunde zu verbieten? Offenbar reicht es ja nur aus, bestimmte Ängste anzusprechen, damit das Abstimmungsergebnis wie gewünscht ausfällt. Tatsächlich dürfte die Abstimmung nur der Beginn sein. Weitere Initiativen zum Verbot von Moscheen generell und islamischen Kulturzentren werden wohl folgen. Wenn man schon einmal dabei ist, kann man ja gleich auch Synagogen verbieten. Ein Schächtverbot besteht übrigens bereits. Es sollte klar sein, dass nicht wichtig ist, was architektonisch passiert, sondern in den Köpfen der Menschen. Sollte der Schweizer Bürger sich tatsächlich um eine vermeintliche Islamisierung sorgen, dann sollte er sich Sorgen um Staaten machen, die mit Schweizer Hilfe tatsächlich ein solches Programm fahren, aber der Iran ist ein guter Handelspartner der Schweiz. Eine Diskussion über Minarette und den Bau von Moscheen im Allgemeinen kann, meines Erachtens nach, nur auf baubehördlicher Ebene geführt werden (passt es architektonisch ins Straßenbild? ist es sicher? welche Änderungen müssen vorgenommen werden, damit es passt) und nicht, ob man es grundsätzlich erlaubt oder nicht, ob eine Gruppe ihre religiösen Einrichtungen ausstatten darf wie sie es wünscht. De facto sollte da gleiches Recht für alle gelten. Lassen wir einen prominenten jüdischen Architekten zu Wort kommen - Salomon Korn- Er schrieb 2008 in der FAZ

Je weniger Muslime in Europa als Teil der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft empfunden werden, desto stärker bildet sich Widerstand gegen ihre Moscheen. Ähnlich wie das Sein das Bewusstsein bestimmt, bestimmt auch das Bewusstsein unsere Wahrnehmung. Goethe zufolge sieht man, was man weiß. Was aber, wenn dieses Wissen lückenhaft ist oder an dessen Stelle Vorurteile, gar Ängste treten? Dann sieht man nicht mehr, was man weiß, sondern was man zu wissen vermeint, vermutet - oder sehen will. Wahrnehmung entsteht aus einem Zusammenwirken von äußeren Reizen und (innerem) “Wissen”. In einem Akt “subjektiven Konstruktivismus” nehmen wir als wahr an, was wir “wahr-nehmen”. Unbekannte Reize aber stellen unsere bisher vertrauten Erfahrungsschemata in Frage. Um das daraus geformte Weltbild nicht zu gefährden, muss unterbunden werden, was es zu destabilisieren droht. von hier

Er schrieb einen recht lesenswerten Artikel über das Verhältnis Moschee-Islam-Judentum-Synagoge - vielleicht wird das in den kommenden Tagen (und es wird sicher weiter darüber diskutiert, die Medien haben das Thema ja entdeckt) als vernünftige Stimme gehört.

Auf der anderen Seite müssen Moscheen nicht immer im gleichen Stil erbaut werden, die Moschee von Penzberg (Bayern) ist beispielsweise eine mit richtungsweisendem Charakter: Islamic Community @ Penzberg

Auch lesenswert ist in diesem Zusammenhang die Analyse von Stefano Allievi »Conflicts over Mosques in Europe - Policy issues and trends« von der »NEF Initiative on Religion and Democracy in Europe«, die es hier im Volltext gibt.

Update: Noch spannender ist, dass es ausgerechnet Kritik an der Religionsfreiheit durch den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan gab. Er sieht eine »zunehmende rassistische und faschistische Haltung in Europa«. Erdogan hat in Sachen Religionsfreiheit einen weitaus größeren Batzen an Hausaufgaben zu machen, als die Staaten Westeuropas. Diese Art von Kritik dürfte also ins Leere laufen. Wir kritisieren hier also,???? ??? , auf recht hohem Niveau. Das muss auch einmal gesagt werden.