Im August wurden in diesem Blog die Zahlen zum Mitgliederrückgang in den jüdischen Gemeinden präsentiert und gezeigt. Der Ausblick war gruselig und die Alterspyramide nicht sehr verheißungsvoll. Die Alterspyramide Unter anderem nahm ich Bezug auf Schoeps, der nun in der Jüdischen Allgemeinen seine Thesen auf der Titelseite erneut aufrollt, dieses Mal aber verbunden mit der Aufforderung, etwas dagegen zu unternehmen. Auch wirft er die Frage auf, was mit den neu aufgebauten Gemeindezentren passieren soll, die auch in Gemeinden entstanden, deren Zukunft, angesichts der demographischen Prognose, alles andere als gesichert ist:

Und was wird angesichts einer solchen Prognose aus modernen Synagogen und Gemeindezentren, die überall im Lande mit viel Aufwand entstanden sind? Ereilt sie ein ähnliches Schicksal wie das mancher Kirchen? von hier

Auf Seite 9 der gleichen Ausgabe dann der nächste Hinweis. Dieses Mal geht es um Austritte aus den Gemeinden und die Probleme durch Wegbrechen der jungen Familien. Interessanterweise behauptet die nichtjüdische Presse zeitgleich etwas vollkommen anderes. Eine Lokalzeitung berichtet vom Jugendkongress 2009:

Ein epochaler Generationenwechsel vollzieht sich in den Strukturen jüdischer Institutionen in Deutschland. Die Jahrgänge, die noch stark geprägt sind von Shoa und Nachkriegszeit, ziehen sich derzeit altersbedingt aus verantwortlichen Positionen zurück. Mit viel Elan und jugendlichen Schwung drängen Menschen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren in führende Funktionen jüdischer Gemeinden. Aber auch für jene Menschen stellt sich die Frage „Jude sein in Deutschland – wozu?“. Von hier Mainpost

Die Frage ist also nicht mehr, wohin die Reise geht, sondern welche Flexibilität besteht, um mit der neuen Situation umzugehen. Inhaltliche Arbeit mit der Generation der jungen Eltern, Studierenden und Verdienenden müsste dann in den Vordergrund rücken und die ist so ganz anders, als dass, was man häufig angeboten bekommt. Diese Generation gilt als religiös nicht interessiert - zu Unrecht! Wenn Inhalte angeboten werden, dann gibt es auch Menschen, die sich dafür interessieren. Es sind nicht so viele, wie die Schüler, die an einem Abend im Kino teilnehmen, aber sie substantiell wichtig für einen Fortbestand des Judentums und der liegt wahrscheinlich nicht in der Masse der Gemeindemitglieder, sondern in kleineren Gruppen von Personen, die deckungsgleiche Ansichten haben und Judentum leben. In den Kommentaren zu Offener Protest angekündigt, wird auch darüber nachgedacht, was jüdische Gemeindearbeit ausmacht bzw. ob man nicht lieber von der inhaltlichen Arbeit abrückt, um überhaupt jemand in die Räumlichkeiten zu holen. Folklore gegen Tradition im Sinne von Mesorah - ?????. Religiöse Gruppen, die von den Spenden ihrer Mitglieder leben, gehen häufig einen Mittelweg und bieten soziale Aktiviäten an, um die Menschen inhaltlich zu erreichen und direkt einzubinden. Erfolg oder Misserfolg dieser Tätigkeit zeigt sich unmittelbar in den Mitgliederzahlen und dem Engagement der Mitglieder, die beide wichtig für den Fortbestand der Gruppe sind. Ein Beispiel dafür sind die Gemeinden aller Strömungen in den USA. Hier ist man auf Mitglieder und ihren finanziellen Beitrag angewiesen. Dafür erwarten diese auch einiges und bringen sich natürlich ein. Dazu werden alle Kanäle genutzt und Demokratisierungsprozesse beschleunigt:

And in the third place, the web - potentially at least - empowers our members and democratizes our synagogues. The synagogue is the grassroots address of the Jewish world, and the web gives us an instrument to involve and include Jews as never before. This is enormously exciting, and more than a little scary. von hier

Das sagte Rabbi Eric Yoffie auf der letzten Biennial Convention der amerikanischen Reformgemeinden in Toronto und er fügte, im Hinblick auf das Internet, hinzu

The idea is not just to serve our members but to engage them. The idea is not only to inform but also to inspire and create community. The idea is to see the Web not as a bulletin board for announcements but as an act of communal collaboration.

Für die jüngere Generation, die jüdisches Leben draußen kennt, oder sich im Internet über die Aktivitäten nahezu jeder Gemeinde überall auf der Welt informieren kann, führt das zu Problemen, wenn man auf stark formalisierte Gemeinden im eigenen Land trifft und zunächst nicht das findet, was man zu finden erhofft hatte. Jüdinnen und Juden, die bereit sind sich zu organisieren, werden das tun - gerade über das Internet. Die Gemeinden müssten genau diese Menschen an sich binden und für sich gewinnen. Die entscheidende Frage ist also: Werden sie das tun?