Total verdrängt hatte ich die Tatsache, dass die Sendung „Hart aber Fair” sich gestern Gaza widmete und den deutschen Reaktionen darauf. Viele Dinge wurden ja hier bereits vorweggenommen und viele Mechanismen angesprochen. Warum spricht niemand über das Elend in den palästinensischen Lagern im Libanon, warum wurde kein allgemeiner Aufruhr wegen Darfur gemacht? Nicht einmal wegen des Bosnienkrieges haben die Leute sich Gedanken gemacht, obwohl der nicht weit entfernt von Deutschland stattfand und streckenweise ja auch Gebiete betraf, in denen Deutsche ihren Urlaub verbrachten. Viel wichtiger war damals, wie man sich vor den Flüchtlingen „schützt”, die ein solcher Krieg verursacht. Letztendlich habe ich die Sendung aber doch gesehen und nichts neues hinzugelernt. Die Protagonisten waren jedoch extremst emotionalisiert und so frug ich mich, wann Ulrich Kienzle ausholt um Michel Friedmann die Faust ins Gesicht zu drücken. Udo Steinbach wollte nicht über Antisemitismus sprechen - dieser sei für ihn kein Problem und das sei alles Schnee von gestern. Michel Friedmann wurde von Norbert Blüm als Abgesandter des Staates Israel betrachtet und bewies seine Eloquenz mit einem großartig formulierten und bis ins Detail durchdachten Satz. Man könne als Christ kein Antisemit sein, weil Jesus ja auch Jude war. Reinhard Mohr hat die Sendung auch gesehen und auf Spiegel-Online darüber geschrieben - sehr schonungslos:

Von Anfang an fiel auf, mit welcher Verve, Leidenschaft, ja Erbitterung sich die sonst so routiniert abgeklärten TV-Talker gegenseitig beharkten. Der ehemalige TV-Reporter Ulrich Kienzle schrie fast, als er Friedman ins Gesicht schleuderte: “Die Israelis haben die Palästinenser vertrieben!” Auch der Islamwissenschaftler Udo Steinbach wirkte wie ein aufgedrehtes Rumpelstilzchen, als er über Palästina sprach, das seit “vierzig Jahren besetzt und vergewaltigt” werde. von hier

Dabei kommt Mohr auch auf den Punkt, auf den man zu sprechen kommen muss, wenn es um deutsche Kritik an Israel geht:

Doch es war unverkennbar, dass sich die Erregung aus ganz anderen Quellen speiste. Weder über Afghanistan oder den Irak und schon gar nicht über Somalia oder Zimbabwe, wo wegen des schwarzen Diktators Robert Mugabe Tausende Menschen einen lautlosen Cholera- und Hungertod sterben, wäre man derart außer Rand und Band geraten. Der Verdacht liegt nahe, dass die Geysire des Unbewussten exakt zwischen “Tabu” und “Tabubruch” liegen, zwischen Schuldgefühlen und dem Drang, sie zu überwinden – dass es also doch untergründige Verbindungen zwischen Israel-Kritik und einem Antisemitismus gibt, der aus den Untiefen der Geschichte kommt und sich immer wieder neu auflädt. von hier

Der Kniff, Friedmann einzuladen, war sehr geschickt. Er erwischt die richtige Formulierung um sein Gegenüber aus der Reserve zu locken und das hat er gemeistert und damit ganz gut gezeigt, dass es den (diesen) „Israelkritikern” nicht in erster Linie um Solidarität mit den Palästinensern geht.