British Forms of prayer

Hat die Siddurausgabe von ArtScroll nun einen progressiven Gegenpart gefunden? Lesbar, gut organisiert, kommentiert und mit Quellenhinweisen versehen? Das könnte sein. In diesem Jahr erschien eine grundlegend überarbeitete Version des „Forms of prayer - Seder haTeffilot” der britischen Bewegung für Reformjudentum. Dieses erschien erstmals 1977 und wurde 2001 von der Jüdischen Verlagsanstalt Berlin als „Seder haTeffilot” in einer deutsch-hebräischen Ausgabe verlegt. Nur sieben Jahre später ist die Ausgabe überholt, wie wir sehen werden und könnte ergänzt werden durch ein liberales Siddur, welches sich am liberalen Einheitsgebetbuch orientiert (wie auch der EtzAmi Siddur); aber versprochen wird das schon seit langer langer Zeit. Dem neuen „Forms of prayer - Seder haTeffilot” ist abzulesen, dass das Bedürfnis der Beter zurückgeht zur Tradition. Die etwas zusammengewürfelte Zusammenstellung von Elementen der Gebete hat eine Ende und es gibt beispielsweise wieder eine klare Trennung zwischen den „Birkot haSchachar“ und den „Psuke deSimra“ und Texte sind wieder an ihren Ort zurückgekehrt. Jeder „Baustein“ des täglichen oder Schabbatgebets wird von einer kurzen Einleitung und Erklärungen eingeführt. So etwa vor den genannten „Birkot haSchachar“ oder vor dem „Schma“ oder der Amidah. Lange englische Meditationstexte zwischen den Gebeten sind vermieden worden und in einen nachgeordneten Teil verschoben worden; jedoch finden sich an passender Stelle Verweise auf die entsprechende Seitenzahl im hinteren Bereich. Dieser Bereich ist übrigens zu einer wahren Anthologie zu jedem denkbaren Ereignis des Lebens oder auch einfach nur zu den täglichen Gebeten geworden. Die Gebete werden zugleich durch „study texts“ in diesem Bereich um wissenswertes ergänzt. Es enthält die Gebete für Wochentags (Maariv, Schacharit, Minchah, das Nachtgebet), für Schabbat (also Kabbalat Schabbat, Maariv, Schacharit mit zwei Varianten des Mussaf, gekürzt und traditionell, Minchah, Hawdalah). Natürlich sind die Formeln egalitär lesbar. In den Birkot haSchachar hat sich übrigens eine ähnliche Formulierung wie bei der konservativen Bewegung durchgesetzt. In den Berachot heißt es „_scheasani beTzelem Elohim_ – der mich nach G-ttes Bild gemacht hat“ statt „_sche’asani kirzono_ – der mich nach seinem Willen gemacht hat“. Dieses wird statt der Brachah verwendet „der mich nicht als Frau erschaffen hat“. In den konservativen Siddurim heißt es: „_scheasani beTzalmo_“. Vor dem Schacharit findet sich übrigens ein Gebet für den Schaliach Tzibur. Gebete für verschiedene Fest- und Feiertage wie Channukah, Tu BiSchewat, Purim, Jom haSchoah, Jom ha’Atzmaut oder Schabbat ha’Atzmaut, Tischa beAw, für den britischen Remebrance Day und den National Holocaust Day. Dann einen Bereich mit „privaten“ Gebeten für verschiedene Lebenslagen wie Krankheit oder etwa bevor man Alijah macht. Hier finden wir auch Gebete für die Freilassung Gefangener, in Zeiten des Krieges, bei Naturkatastrophen etc. etc. .In diesem Bereich befinden sich auch die Brachot über verschiedene Speisen oder Ereignisse. Das Tischgebet wird gleich in mehreren Versionen angeboten. Eine für diejenigen, die es gerne traditionell mögen, eine gekürzte, eine kurze Brachah nach dem Essen und zusätzliche Lieder wie Bendigamos oder Zur Mischelo. Einen weiteren Bereich mit Gebeten für des häuslichen Bereich, wie ein Seder Chanukat haBajit, Brit Milah, Zeved haBat, das Nachtgebet, Morgengebet für Kinder, Schabbatausgang zuhause. Im einer Art Anhang werden zusätzlich noch Hallel, interessante alternative Vorschläge für den zweiten und dritten Abschnitt des Schma und die Pirke Awot.

Forms of Prayer - Ansicht Interessant ist die Möglichkeit, sich für eine von drei Varianten der Torahaushebung zu entscheiden. Die traditionelle Version, eine Version mit dem Blick auf die Gabe der Torah als Bund zwischen G-tt und Israel. Eine dritte Variante ist „minimalistisch“ gehalten und legt den Fokus auf gemeinsames Lernen des Torahtextes und eine ausführliche Besprechung des Textes. Zu diesen Texten gibt es auch die, die nach der Torahlesung gesprochen werden. Wie das für den Staat Israel, für die Trauernden und Kranken, und das für die Gemeinde. Wie in allen britischen Siddurim natürlich auch eines für die Königin. Einen „MiScheberach“ findet man allerdings nicht.

Forms of Prayer - Weitere Ansicht

Zumindest die Reiseausgabe ist auf hochwertigem Dünndruckpapier gedruckt (früher gab es das auch für die Kleinausgabe des Sefat Emet, neuerdings nicht mehr). Der Text ist meist zweispaltig, rechts Hebräisch und links englisch auf einer Seite angeordnet. Zwischendurch gibt es allerdings Bereiche in denen davon abgewichen wird. So etwa bei der Amidah. Viele Texte finden sich auch in einer transliterierten Fassung. Der hebräische Text der Amidah ist übrigens so clever gesetzt, dass man ihn auch ohne die Mütter sagen kann, wenn man dies wollen würde. Auf dem unteren Teil der Seiten befinden sich kurze Kommentare zu den Gebeten und Angaben zu Textquellen, aus welchem Teil der Tehillim beispielsweise ein Teil einer Formulierung stammt. Wenngleich der Text lesbar und gut strukturiert ist (Einschübe sind in anderer Farbe gedruckt, die grau hinterlegten Textkästchen die ArtScroll einführte sind damit smart abgelöst worden), so hörte hier doch die Innovation auf, aber daran werden sich nicht viele stören. Verwendet wurden für die Texte nämlich Times New Roman und FrankRühl – also Schriften, die wir schon Millionenmal gesehen haben. Hier ist man auf Nummer sicher gegangen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass „Forms of Prayer“ eines der besten liberalen Siddurim ist und auch die Texte vernünftig und „benutzbar“ darstellt. In der Reiseausgabe ein praktischer Begleiter für liberale Juden.

Erhältlich ist er übrigens hier.