Das haben wir schon immer geahnt: Es wäre besser, diejenigen die einen Staat wollen, der ausschließlich nach halachischen (in einer, mehr oder weniger strikten Auslegung) Gesetzen regiert wird, auch einen bekommen – allerdings nicht den gesamten modernen Staat Israel. Was wäre besser als ein Staat Israel? Vollkommen richtig! Zwei Israels!

Yves Kugelmann, Chefredakteur der schweizerischen jüdischen Wochenzeitung „Tachles” hat sich genau darüber Gedanken gemacht und schlägt die Gründung eines zweiten Staats Israel vor, jedoch nicht als Heimat für die Freunde einer Theokratie, sondern als Heimat für Juden die einem jüdischen Staat leben wollen:

Das zweite Judenland ist in Vorbereitung. Anders geht’s nicht mehr. Konkurrenz belebt nicht nur das Geschäft, sondern verhindert auch jeglichen Stillstand, bricht etablierte, verfahrene Gesetzmäßigkeiten auf und bringt endlich die neu-alte Weltunordnung ordentlich durcheinander. Und das ist gut so. Ein Judenstaat? Ein jüdischer Staat? Ein Staat für die Juden? Nein: Ein Land ohne Nation, ein Land, das einfach nur jüdisch ist, ein neues Babylon muss her; ein neues Chaos, auf dass Ordnung entstehen kann, diesmal eine friedliche. Dieses Jahr, sozusagen als Jubiläumsgeschenk für Israel zum Sechzigsten, ist es also so weit. Und danach wird nichts mehr so sein wie vorher. Für die Juden wird sich die Frage neu stellen: Was ist ein jüdisches Land? Oder soll es ein Staat werden? Gibt es einen jüdischen säkularen Staat, einen, der das Judentum nicht als religiösen Ausgangspunkt definiert, sondern die Religion allenfalls impliziert, aber nicht über alles stellt? Einen Staat mit einer eigenen Verfassung, ja einen, der trennt zwischen Staat und Religion? von hier

In einem Interview mit Telepolis konkretisiert er einige Gedanken und zeigt, dass er das nicht nur polemisch gemeint haben mag:

Viele sehen ja in Manhattan irgendwie einen gelungenen jüdischen Staat. Insofern gelungen, als man dort einfach leben kann wie man will und sich nicht ständig um Sicherheitspolitik oder überhaupt Politisches oder Anderes kümmern muss. Und wiederum andere sagen ja, die Diaspora als solches sei eigentlich der richtige jüdische Staat. Oder zumindest der zweite jüdische Staat. Und ganz Gefitzte finden immer noch die Schriften die eigentliche jüdische Heimat. Wie auch immer: Israel stärken heißt, den massiven singulären Fokus von heute aufbrechen, eine neue Dialektik, ein Mehrfrontenprinzip etablieren. von hier

Ganz nebenbei rechnet er mit den Fiesesten unter den Undifferenzierten auf (die hier indirekt zur Sprache kamen):

Gar nicht zu reden von den zweitliebsten Feinden der Juden, den unerträglichen Philosemiten, die die Juden hofieren, sie in einen Nationalismus drängen wollen, der ihnen so gar nicht entspricht. Die Philosemiten – die größten und verlogensten Antisemiten – lieben die Juden, umarmen sie bis zum Erdrücken. auch von hier

Eine verrückte Idee? Eine gute Idee? Eine schlechte Idee Die einzig gangbare Idee? Tatsächlich erzählt Kugelmann indirekt einiges über das Verhältnis der Disporajuden zum Staat Israel und zur Frage, ob Israel nun ein jüdischer Staat ist oder nur ein Staat in dem Juden leben. Eine israelische Künstlerin erzählte mir im vergangenen Jahr, sie meine, man müsse im Staat Israel nicht mehr jüdisch leben, weil man ja nun eine richtige Nation geformt habe. Das Ziel sei erreicht. Israel erhalte seine Identität nun durch die Nation.