Die neue Synagoge am Rande der Bochumer Innenstadt, in direkter Nachbarschaft des Zeiss-Planetariums, für die Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen ist noch nicht in allen Details fertig (so fehlen einige kleine bauliche Kleinigkeiten), so wurde sie doch am heutigen Sonntag der Gemeinde übergeben und die drei Torahrollen der Gemeinde durch die Rabbiner Apel, Brandt und Soussan in den Aron haKodesch eingebracht. Damit hatten wir auch wichtige Vertreter des modernen Judentums in Deutschlands beisammen. Die Rabbiner Apel und Soussan als Verteter einer modernen Orthodoxie und Rabbiner Brandt als Vertreter der traditionsverbundenen liberaleren Strömung. Rabbiner Brandt war ja auch bereits bei der Grundsteinlegung Im Jahre 2005 zugegen.
(Einige andere Bilder von mir findet man auf flickr, also hier klicken)
Die offiziellen Feierlichkeiten mit den dazugehörenden Festreden nahmen etwa 3 Stunden in Anspruch und so war die letztendliche Einbringung der Torahrollen für viele Zuhörer geradezu erlösend. Diejenigen Redner, die die Politik vertraten, wie etwa Bundestagspräsident Norbert Lammert (von der CDU), und der Ministerpräsident NRWs Dr. Jürgen Rüttgers (ebenfalls von der CDU) und auch Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch spannten in ihren Reden einen Bogen von den Novemberpogromen zum Bau der neuen Synagoge und betonten vor allem, dass man als Jude wieder in Deutschland leben könne. Dr. Jürgen Rüttgers freute sich über die Tatsache, dass man als Jude wieder „selbstverständlich eine Kippah in der Öffentlichkeit tragen kann” – Jede Synagogeneinweihung sei „ein Zeichen für die Weltoffenheit” des Landes und speziell Nordrhein-Westfalens. Zumindest auf dem Zug vom Platz der alten Synagoge zur neuen konnte man tatsächlich seine Kippah unbehelligt tragen.
Der Präsident des Bundestages (und Bochumer) Dr. Lammert sagte in seiner Rede, er habe sich immer dafür eingesetzt, dass jüdisches Leben in Deutschland „wieder möglich” werde und dass die jüdische Immigration nach Deutschland aus den GUS-Staaten die Folge von Antisemitismus sei und holte weiter aus. Nahezu alle Redner rekapitulierten auch die Geschichte der Gemeinde Bochum und so wurden einige Fakten wiederholt vorgebracht – das ist das wohl das Schicksal der meisten Redner, die nach jemandem sprechen, der schon alles wichtige zusammengefasst hat. Der 88 jährige Alfred Salomon sprach als erster und berichtete ebenso als erster von der feierlichen Zeremonie zur Einweihung der alten Bochumer Synagoge, die während der Novemberpogrome niedergebrannt wurde. Er sagte, er könne den Brandgeruch nie vergessen: „Ich werde es nie begreifen, dass dies geschehen konnte.” Der Gemeindevorsitzende Grigory Rabinovich griff das auf und führte dann aber einen Programmpunkt ein, der nicht in den Programmen abgedruckt war. Die in Kiew geborene Poetry-Slammerin Irina Bondas fasste in einem grandios vorgetragenem Text zusammen, was es bedeuten kann jüdisch zu sein. Ein winziger Aussschnitt aus ihrem Text:
Hier in Deutschland
hat man Angst vor Juden
wir sind Deutschlands schlechtes Gewissen
zweifelhafte Ehre des auserwählten Volks
auserwählt zu wissen
was es heißt:
Ist da noch Gas drin ?
Wir tragen unser Judentum als Hut auf dem Kopf
als Stern auf der Brust
als Last auf dem Rücken
Ist da Gas drin ?
Wir werden als Juden geboren
und sterben als Juden
wir sind Menschen, Juden
wollen Frieden
Ist da Gas drin ?
komm, spiel es aus
sag das du jüdisch bist
gib ein bisschen an
nutz es aus
Damit war vieles gesagt und doch folgtem im Anschluss daran erst die Reden der Politikprofis.
Ausgelassen dagegen wurde es zum Minchah, die anwesenden orthodoxen Rabbiner und der Vorbeter der Gemeinde sorgten dabei für eine ausgelassene Stimmung. Es war mittlerweile etwa 16:00 Uhr durch und einige der Teilnehmer konnten dennoch mobilisiert werden, an der kurzen Tfillah teilzunehmen.
Schöner Anblick!
Masal tow! Sieht gut aus.
Dann wünsche er der neuen Synagoge alles gute.
Vor allem, dass sie jeden Tag einen Minjan für Mincha hat.
Nur unzureichend genutzte Synagogen gibt es in D schließlich
bereits zur Genüge.
Irgendwie schade, dass es zwar genug Geld gibt,
solche Gebäude zu bauen, dass dann aber oft nichts mehr
übrig zu sein scheint, Menschen dazu zu erziehen,
es auch mit Leben zu füllen.
YM
P. S.: Ich habe mal gelernt, Menorah-Leuchter in Beth-Hamidkasch größe (rechts neben Aron HaKodesch) wären halachisch etwas problematisch.
Und hier vox populi dazu,
die Leserkommentare zu den Artikeln in der WAZ
zur neuen Bochumer Synagoge:
Gemischt:
http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/2007/12/16/news-11074225/detail.html
Hier sehr eindeutig:
http://www.derwesten.de/nachrichten/nachrichten/2007/12/16/news-11067011/detail.html
Relativ wohlmeinend, nach einem heftigen Anfangskommentar:
westen.de/nachrichten/nachrichten/2007/12/16/news-10983597/detail.html
Buddhistisch Katholisch:
http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/2007/12/16/news-11055821/detail.html
Herzallerliebst daneben:
http://elf.scm-digital.net/show.sxp/8741_bochum__j_dische_synagoge_eingeweiht_-_r_ttgers_warn.html
sholem