Wien und Berlin haben gewählt. Die Jüdischen Gemeinden der Hauptstädte haben gewählt und bei beiden Wahlen heißt der Sieger: Atid. Rechnerisch hat die Liste Atid in Berlin um die 60% erreicht (berechnet nach der Liste von Jüdisches Berlin) und wird damit den neuen Gemeindevorstand stellen, in Wien 41,22% (Zahlen von hier) und zumindest in Berlin hat es für einen Kurswechsel offenbar gereicht. In Wien wurde Ariel Muzicant als Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) praktisch bestätigt, wenngleich seine Liste nicht die absolute Mehrheit erreicht hat. In Berlin gingen 34,51 Prozent (von 9694 Stimmberechtigten) der Wahlberechtigten zur Wahl, in Wien waren es immerhin 54,67 Prozent (von 5214 Stimmberechtigten). In Berlin gingen also nur 500 Personen mehr zu Wahl als in Wien, obwohl die Gemeinde doppelt so groß ist… Die Welt sieht Lala Süsskind bereits als neue Gemeindevorsitzende (was ja auch mehr als wahrscheinlich ist):

Die Jüdische Gemeinde von Berlin wird in Zukunft von einer Frau geführt. Die Soziologin Lala Süsskind soll neue Vorsitzende von Deutschlands größter jüdischer Gemeinde werden. Deren Wahlbündnis Atid errang bei der Wahl zur Repräsentantenversammlung am Sonntag 13 der 21 Sitze und wurde damit stärkste Fraktion. Die frühere Bundesvorsitzende der jüdischen Frauenorganisation WIZO soll den bisherigen Gemeindechef Gideon Joffe ablösen, dessen Liste Hillel nur noch über fünf Sitze verfügt. von hier

Im Gegensatz zu Berlin, scheint es in Wien eher auf eine religiöse Agenda anzukommen. Die Presse fasst die Ziele der einzelnen Wahlbündnisse zusammen und da fällt schon eine Gruppierung nach „Weltanschauung” auf. Vor allem scheint jede der Gruppen ein konkretes Anliegen zu haben:

für die Interessen der Juden aus Zentralasien engagiert sich Sefardim – Verein der Bucharischen Juden(bisher 3 Mandate). Die bucharischen Juden betreiben Bethäuser nach eigenem Ritus. Sefardim setzt sich für deren Erhalt ein. Auch der Verein Georgischer Juden(bisher 1 Mandat) betont die Bedeutung der eigenen Traditionen, nur eben die der Georgier. Die Anliegen der orthodoxen (europäischen) Juden vertreten Khal Israel (bisher 3 Mandate) und der Block der Religiösen Juden (bisher 1 Mandat). Beide setzen sich für ein dichtes Netz koscherer Lebensmittelläden und die Förderung der Wiener Jeschiwa (religiöse Hochschule) ein. Misrachi – Zionistische Einheit (bisher 1 Mandat) repräsentiert eine teils orthodox, teils modern lebende Betgemeinde – und fordert die rasche Umsetzung des Eruv-Projekts von hier - Die Presse

Da haben wir also zwei wichtige Städte des deutschsprachigen Judentums und zwei grundverschiedene (unterstelle ich mal) Wahlen. Die eine ausschließlich politisch motiviert und getrieben von zermürbenden Auseinandersetzungen und eine, die sich nach Zielsetzungen orientiert. Beneidenswert…