Der 3.Oktober ist mittlerweile traditionell (auch) der Tag der offenen Moschee. Überall im Land (wo genau steht hier) laden wieder mehrere islamische Gemeinden Nachbarn ein, sich in einer Moschee umzuschauen und zu lernen, was man dort macht. Aus Erfahrung von Dialog/Trialogsveranstaltungen weiß ich, dass dort, oder generell bei solchen Veranstaltungen, Menschen mit vorbereiteten Zettelchen auftauchen auf die sie sich Koranzitate geschrieben haben die sie für besonders schlimm halten. Früher hat sich die gleiche Klientel am koscheren Schächten versucht, oder bestimmte Talmudzitate bei der Hand. Das tritt ein wenig in den Hintergrund, solange man das Judentum benutzen kann um gegen den Islam zu argumentieren. Frei nach dem Motto „Der Jude hats auch gesagt”. Eine Dame mit so einem Zettelchen nahm mich mal an die Seite und sagte zu mir „Sie da, aus Israel (sic!), sie sind doch auch gegen _die_”. In Köln wurde ja ein Jude prominenter Gegner einer Großmoschee (siehe hier) und häufig zitiert mit seiner nicht gehaltenen Rede gegen das Bauvorhaben. Offenbar beachtete aber Giordano nicht, dass man einiger seiner Argumente auch gegen observante Juden und die Rücksichtnahme auf sie, wenden kann. Wenn er sagt/schreibt:

Wo sind wir denn, dass wir uns überlegen müssen, ob unser Tun und Handeln radikalen Muslimen gefällt oder nicht? Wo sind wir denn, dass wir uns in vorauseilendem Gehorsam religiösen und anderen Fanatikern vorschreiben ließen, was wir veröffentlichen dürfen und was nicht?

Istanbuli Synagoge Jerusalem Natürlich ist es schwer, eine Grenze zwischen Fanatismus und strikter religiöser Observanz (oder nicht?) zu ziehen. Ist es fanatisch, wenn ich auf Joghurts mit Gelatine verzichte? Jedenfalls könnte man auch mit den gleichen Argumenten zurückweisen, dass sich Rabbiner um einen jüdischen Friedhof kümmern, der bei Aushubarbeiten einer Baustelle in Mainz gefunden wurde (hier). Niemandem würde im Traum einfallen, eine _Einmischung _ jüdischer Stellen zurückzuweisen und das ist ein gutes Miteinander. Man nimmt Rücksicht auf die religiösen Traditionen des Anderen. Davon ausgeschlossen sind selbstverständlich die pseudoreligiösen Auslassungen von antisemitischen Hetzpredigern die eher politische Ambitionen haben. Es ist nahezu sinnlos, diejenigen zu loben die ihre Religion nicht leben und zu fordern, dass alle so leben sollen. Den Dialog mit den Vernünftigen suchen sollte weiterhin die Devise sein (deshalb gibt es ja beispielsweise die jüdisch-muslimische Mailingliste Abraham-Ibrahim) und ein wenig Empathie für observante Anhänger anderer Religionen. Der bosnische Großmufti Dr. Mustafa Ceri? fasst in seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung des Theodor Heuss-Preises an ihn ganz gut zusammen, worin die eigentliche Gefahr besteht:

Unfortunately, our times are full of fears. Fear is spreading throughout the world. Fear is in our home, in our street and in our mind. Fear prevents us from progress, from sharing of ideas and positive achievements. Thus, freedom from fear is the most needed value of our times. To be free to go, to tell, to share, to think, to feel and most importantly to respect differences as much as similarities. We have to cherish life and creation, against the fear and ignorance. We have no choice but to build up mutual communication in order to overcome fears from terror and terrorism. We have no choice but to use our mind as the best gift of God, to accept our common ground, to bridge our differences, and to appreciate our similarities.

Die Förderung solcher Kapazitäten sollte im Vordergrund stehen. Jörg Lau schrieb 2006 über ihn:

Zu Beginn des Jahres hat der Großmufti Ceric eine Erklärung der Europäischen Muslime herausgegeben. Darin geht es um Terrorismus, europäische Werte, die Menschenrechte und die Loyalität, die die europäischen Muslime dem freiheitlichen Verfassungsstaat schulden. Ceric sagt, er habe die Erklärung geschrieben, weil nach den Anschlägen von New York, Madrid und London endlich eine klare Verurteilung dieser Taten nötig war – »ohne das übliche relativierende Aber, dem dann in muslimischen Publikationen meist eine Liste der Sünden des Westens folgt«. Der Massenmord an den bosnischen Muslimen in Srebrenica sei vom amerikanischen Senat schließlich auch ohne Wenn und Aber als Völkermord verurteilt worden: »Genauso entschieden müssen wir Muslime die Verbrechen verurteilen, die irrigerweise im Namen des Islams verübt werden.« Er wolle klarmachen, erklärt Ceric, »dass die Terroristen nicht bloß ›die Christen‹ oder ›die Ungläubigen‹ angreifen. Wer Freiheit und Demokratie attackiert, der greift auch mich als europäischen Muslim an.« von hier

Kurzum: Nicht immer von Dritten die Informationen erhalten, sondern einfach mal selber hingehen und sich informieren. Fragen kostet ja bekanntlich nichts. Das Bild oben zeigt übrigens keine Moschee, sondern eine alte Abbildung der Istanbuli-Synagoge in Jeruschalajim.