So wie es ausschaut, hat das Rektorat der Uni Bielefeld den Artikel „heiliger Krieg in Bielefeld..” (siehe hier) ohne Wissen des Dekans und ohne den Autoren Prof. Dr. Heinz Gess darüber zu informieren, von der Seite des Fachbereichs Sozialwesen der FH Bielefeld genommen hat und zusätzlich alle Information über das Kritiknetz hat löschen lassen. Man könnte meinen, es handele sich hier um einen Akt der Zensur, handelte es sich bei dem Text doch nicht um platte Propaganda, sondern eine sehr dezidierte Auseinandersetzung mit den Motiven der Kirchenbesetzer (eine ausführliche Ausarbeitung ist hier zu finden). Diese Ausarbeitung ist noch um ein vielfaches ausführlicher als der Textteil, der auf der html-Seite zu finden ist. Ein kurzer Auszug wiederum:

Merkwürdigkeiten der Protestkonstellation. In der Geschichte des Konfliktes um den Verkauf des Gebäudes gibt es einige Merkwürdigkeiten, die besondere Erwähnung verdienen, weil sie etwas von dem geistlosen Geist sichtbar machen, der sich in dem autoritären Protest der feinen Gesellschaft versteckt. Einer der gewichtigen Wortführer der honorigen Besetzer des P-G-Gebäudes ist der ehemalige Kirchenmeister. Das ist deshalb sehr bemerkenswert, weil dieser im April 2005, noch bevor die jüdische Kultusgemeinde als Kaufinteressent in Erscheinung getreten war, die grundsätzliche Bereitschaft erklärt hatte, das Gebäude zu veräußern. Er nahm seine grundsätzliche Bereitschaft erst zurück, nachdem die jüdische Gemeinde ihr Kauf¬interesse kundgetan hatte und sich in der kontroversen Diskussion im Bevollmächtigtenausschuss der Kirche eine Mehrheit dafür entschieden hatte, mit ihr in Verkaufsverhandlungen zu treten. Niemand wird wirklich schlüssig beweisen können, dass sich in dieser Umkehr des Kirchenmeisters und seiner sich daran anschließenden Kampagne gegen den Verkauf des Gebäudes allein schon ein antijüdisches Ressentiment äußert. Aber auch solche Zufälle verraten etwas von dem besonderen Geist, der in diesem Aufstand wild gewordener Kleinbürger sein Unwesen treibt. Es mag auch ein Zufall gewesen sein, dass derselbe Kirchenmeister als Kampagnenführer gegen den Verkauf des P-G-Gebäudes an die jüdische Gemeinde dem zuständigen Pfarrer vorwirft, seine Arroganz und Überheblichkeit haben den Konflikt geschürt und das Gemeindeleben nachhaltig beschädigt. Das kennt man. Wieder einmal sind die anderen an dem Niedergang des Gemeindelebens schuld, nur nicht der Kirchenmeister. In diesem Fall eben jener Pastor, der es mit dem jüdischen Interesse hält, während man selbst angeblich für das christlich Authentische steht, das – es versteht sich hierzulande von selbst – niemals arrogant und überheblich ist und unmöglich geschauspielert sein kann. Wenn man schon mit der Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Pfarrer und die Superintendentin und der Klage wegen „Vertragsbruchs“ keinen Erfolg hatte, dann muss man doch wenigstens mit einer faustdicken üblen Nachrede nachkarten, um aller Welt zu demonstrieren, dass man zu Recht beleidigt ist über soviel Unverfrorenheit eines „kleinen Pfarrers“, der Respektspersonen nicht klein beigibt. Der Vorwurf der „Arroganz und Selbstherrlichkeit“ ist übel, insbesondere deshalb, weil dieser Vorwurf seit Jahrhunderten eine gängige antisemitische Projektion ist, und er in diesem Fall eben auf einen Pfarrer projiziert wird, der der jüdischen Gemeinde in Bielefeld offensichtlich freundlich gesonnen ist. Ich unterstelle damit nicht, dass dieser Vorwurf bewusst mit der Berechnung gemacht wurde, es ließe sich so an unterschwellig bestehende antisemitische Ressentiments im Publikum rühren. Vermutlich ist es eher so, dass der Kirchenmeister sich gar nicht recht bewusst ist, was er tut, wenn man er mit dergleichen Stereotypen in einer solchen Situation operiert. Man denkt sich eben nichts dabei, macht bewusstlos immer weiter – und tut dann, wenn die falsche Sache, die man losgetreten hat und die Ressentiments, die man bedient, einmal „aus dem Ruder laufen“, als habe man das nicht vorhersehen können Es mag drittens auch ein organisatorischer Zufall sein, dass die kirchliche Woche der Armut in Bielefeld mit einer Predigt des Theologen Eugen Drewermann eingeleitet wurde, dessen Psychoreligion als Theologie im Sinne des deutschen Christentums vom Hass auf die angeblich ‚verstockten’, ‚Völker mordenden’, ‚nationalegoistischen’ und ‚hasserfüllten’ Juden und ihr altes Testament erfüllt ist, während zur selben Zeit einige hundert Meter weiter die P-R-Kampagne „wir besetzen die P-G-Kirche“ gegen den Verkauf des Gebäudes an die jüdische Gemeinde begann. Das eine Ereignis hat organisatorisch mit dem anderen womöglich nichts zu tun. Gleichwohl ist die Koinzidenz bemerkenswert. Hier ein „aufständischer“ Theologe auf der Kanzel, der aus reiner Liebe zum wahren Menschentum einen heiligen Krieg gegen das Judäo-Christentum führt und zu diesem Behufe Sätze schreibt wie diese: -„Die Wüstenreligion des Alten Testaments, in Gestalt des Christentums zur Botschaft einer Weltkirche erhoben, müsste in der Tat die ganze Welt verwüsten.“ (Eugen Drewermann, Der tödliche Fortschritt, Freiburg 1991, S. 1894) -„Die Schuld des (Judäo-)Christentums […] liegt darin, dass es die Anthropozentrik des Alten Testaments so weit … radikalisiert hat, dass seine Moral des Mitleids und der Menschlichkeit am Ende die Quellen der Frömmigkeit vergiften und den Menschen selbst in einer g-ttlosen und heimatlosen Welt ohne Sinn und Halt zurücklassen.“ -„Die Naturgesetze können und dürfen auf die Interessen des Einzelnen keine Rücksicht nehmen“. […] Wenn das vergessen wird, werden wir „zu spät begreifen, dass die eigene Unnatur uns selber auf diesem Planeten parasitär gemacht hat“. (a. a. O. 196 S) - Das (Judäo-)Christentum trägt „aufgrund seiner spezifisch jüdischen Geistesart einen außerordentlich gewalttätigen und rücksichtslosen Charakter an sich […] und es ist psychologisch keine Frage (sic!), dass in der Naturfremdheit des Christentums im Erbe der (jüdischen – HG) Bibel bereits einer der Hauptgründe für die innere Unfähigkeit zum Frieden liegt. Die Gewalttätigkeit gegenüber der Natur ist gewissermaßen nur die Außenseite der Gewalttätigkeit gegen sich selbst. (Eugen Drewermann, Die Spirale der Angst, Freiburg 191, S. 185) -„Auf solche kriegerische Weise ist das Volk der Bibel unter der Führung seines (sic!) Gottes jahrtausendelang groß geworden und es scheint aus historischer Sicht, als sei es (…) nicht gelungen dieses außerordentlich kämpferische Erbe des alten Testaments nebst der Enge seines nationalegoistischen Horizontes wirklich abzustreifen.“ (ders., a. a. O., S. 200 ) und sich wie einst Richard Wagner als der alternative Religionsstifter des reinen unverfälschten, echten, in Einheit mit der Natur befindlichen Menschentums anbietet. Dort ein „heiliger Aufstand“ authentischer, menschheitlicher Christen von echten Schrot und Korn gegen die Umwandlung des P-G- Gebäudes in eine Synagoge. Sie alle wiegen sich in der Gewissheit, ihre Äußerungen und ihr Praxis hätten nichts mit unterschwelligen, niemals Ressentiments gegen Juden, falsche Projektion, rigorose Schuldabwehr und der Religion (ihrer Religion) als einer kollektiven Neurose nichts zu tun. hier

Bemerkenswert sind die Drewermannzitate. Eugen Drewermann, der mir bisher als stiller, Märchenonkelhafter sehr verkopfter Theoretiker aufgefallen ist, aktiviert hier einige interessante Ressentiments deren Betrachtung sich durchaus lohnt. Wer im Geiste des Pazifismus redet, muß also nicht zwangsläufig ein friedlicher Mensch sein. Aber zurück nach Bielefeld. Dort geht nun also der Konflikt in eine nächste Runde und zieht weiter Kreise, wenn nun sogar die Berichterstattung darüber eingeschränkt wird…