Der Stern ist Schuld an den neuesten Spaltungsgeschichten aus der Gemeinde Berlin, denn der hat mit Albert Meyer und Julius Schoeps gesprochen. Meyer sagt dort:

„Wir wollen nicht länger akzeptieren, dass die jetzige Führung aus der alten traditionsreichen Berliner Gemeinde einen russischsprachigen Kulturverein machen wollen. Und wir werden nicht länger akzeptieren, dass eine Clique aus egoistischen, machtorientierten Menschen mit zum Teil stalinistischen Methoden alle anderen verdrängen und rausekeln, die für die deutsch-jüdische Tradition und die Rolle der Gemeinde als Glaubensgemeinschaft eintreten.” von hier

und liefert noch mehr harten Tobak nach:

„Pseudo-Bolschewiki machen aus der alten Gemeinde einen russischen Kulturverein. Das darf nicht das Ende der Geschichte sein.” von hier

Konkret läßt der Artikel durchblicken, dass es in naher Zukunft in Berlin eine neue Gemeinde geben wird.

Der Berliner Tagesspiegel macht daraus eine religiöse Geschichte und untertitelt heute „Liberale Mitglieder fühlen sich nicht mehr vertreten” (Artikel hier). Die taz hat dagegen etwas mehr in den Hintergrund geschaut und sich umgehört, welche Stimmen noch zu hören sind und sieht einen deutsch-russischen Konflikt: „Der Streit zwischen alteingesessenen Juden und russischsprachigen Einwanderern eskaliert. Der Exvorsitzende Albert Meyer kritisiert ,russischen Kulturverein’ - und will neue Gemeinde gründen”.

Beim Zentralrat der Juden in Deutschland nimmt man die Ankündigung einer Neugründung “sehr ernst”. Der jetzige Vorstand habe es versäumt, ein tragfähiges Konzept für beide Gruppen zu entwickeln, sagte Generalsekretär Stephan J. Kramer. “Die Integration der russischsprachigen Neumitglieder ist sehr wichtig, aber die Bedürfnisse der Alteingesessenen dürfen nicht vernachlässigt werden.” Diese habe der Vorstand “massiv ausgegrenzt”, was in den vergangenen Jahren zu großer Unzufriedenheit geführt habe, so Kramer. Dabei habe die Führung angesichts der “Leuchtturmfunktion” der wichtigsten Gemeinde eine besondere Verantwortung. von hier

Interessant ist das, was in der taz nicht steht. Dort steht nicht, dass der Zentralrat sich einer solchen Spaltung entgegenstellen würde, sondern ganz pragmatisch über die Weiterverteilung der Gelder nachdenkt:

Der neue Verband könnte nach Einschätzung des Zentralrats jedenfalls auf öffentliche Mittel hoffen. Die Unterstützung, die die Gemeinde vom Land Berlin erhält, ist laut Kramer per Staatsvertrag geregelt - der bliebe weiterhin gültig. auch von hier

Der Welt gegenüber gibt Meyer konkretere Details an:

Meyer, der die Berliner Gemeinde zwei Jahre geführt hat, zeigte sich optimistisch, dass mehrere Hundert alteingesessene Berliner Juden einer neuen Gemeinde beitreten werden. „Ich gehe von rund 350 Gemeindemitgliedern aus. Jetzt befinden wir uns erst in einer Vorbereitungsphase, aber ich denke, ab kommenden Januar wird es konkrete Pläne für eine neue Gemeinde geben.“ von hier

In der Märkischen Oderzeitung spricht sich Gemeindemitglied Jael Botsch-Fitterling gegen eine Spaltung der Gemeinde aus:

Dagegen sagte Gemeindeparlamentsmitglied Jael Botsch-Fitterling, sie sei “als Demokratin eine Gegnerin der Spaltung”. Zwar sei das Klima in der Gemeinde “unerträglich”, dennoch sollte man versuchen, sich mit den unterschiedlichen Interessen auseinander zu setzen. Sie befürchtet, dass bei einer Spaltung das Mitspracherecht der Juden als gesellschaftliche Gruppe schwinden würde. von hier

Man kann es drehen und wenden wie man will, aus allen Berichten darüber geht hervor, dass religiöse Belange nicht der Hauptgrund für den gegenwärtigen Ärger ist, sondern das Ungleichgewicht zwischen Zuwanderern mit ihren Bedürfnissen im Gegensatz zu den Bedürfnissen der alten Gemeindemitglieder. Ein Konflikt und eine Aufgabe wie sie jeder Gemeinde des Landes bevorsteht bzw. an der die Gemeinden im ganzen Land schon seit einiger Zeit arbeiten. Einige versuchen es mit religiöser, integrativer Bildungsarbeit, andere mit politischem Kalkül, einige wenige nehmen den Konflikt gar nicht wahr und und und…