Weil schon nächste Woche Schabbat haGadol ist, schon einmal ein kleiner Text der sich mit Pessach beschäftigt und dem aschkenasischen Minhag ( Brauch ) noch viel mehr Dinge zu meiden, als unbedingt nötig…

Wenn Du aschkenasischer Jude oder aschkenasische Jüdin bist, dann hast Du es, wenn man es mit dem aschkenasischen Brauch genau nimmt, an Pessach nicht gerade leicht. Zum verbotenen Chametz (Gesäuertem), zu dem Weizen , Gerste , Dinkel , Roggen und Hafer gehören, kommt dann nämlich eine weitere Kategorie verbotener Nahrungsmittel hinzu: Kitnijot:

Reis und Hülsenfrüchte zu denen Bohnen und Erbsen gehören.

Zudem fallen Linsen, Erdnüsse, Sesam, Senf, Sonnenblumenkerne und Mais unter den Begriff Kitnijot (von Katan klein). Für Juden, die zudem aus dem russischen Kulturraum stammen, dürfte das Verbot von Buchweizen, auch Kascha genannt, zusätzlich einige Gerichte von der Karte streichen.

Im Gegensatz zu Chametz müssen Kitnijot jedoch nicht unbedingt aus der Wohnung geschafft oder verkauft werden.

Den Ursprung dieses aschkenasischen Brauches ist recht unklar, seine erste Erwähnung findet er im Sefer ha-Minhagot des Rabbiners Ascher ben Meschullam von Lunel, aus dem 13. Jahrhundert, dort ist dieser Brauch für die Provence bezeugt. Man wollte wohl verhindern, dass man versehentlich die unter Kitnijot fallenden Lebensmittel mit Chametz verwechselt oder mischt und so Chametz verzehrt.

Gedacht war das vermutlich als Zaun um die eigentliche Mitzvah des Chametz -Verbotes.

In moderner Zeit wird jedoch die Liste der verbotenen Produkte immer länger.

Selbst aus Sojabohnen produzierte Produkte, wie etwa Tofu, fallen weg, obwohl Sojabohnen nur verboten wurden, weil sie auch Bohnen heißen (!!). Sie gehören aber nicht zur Familie der Bohnen. Selbst Kaffee wurde für ein Verbot vorgeschlagen und wahrscheinlich hat die Tatsache, dass die entscheidenden Autoritäten selber gern Kaffee tranken, diese Bohne davor bewahrt, Kitnijot zu werden.

Erweitert wurde das Verbot in neuerer Zeit auch auf Industrieprodukte wie Malto-Dextrin, Sorbitol und Vitamin C als Lebensmittelzusatz.

Die Tatsache, dass es im sefardischen Judentum diesen Brauch nicht gibt, hat natürlich unsere Weisen nachdenklich gemacht und, um nur ein Beispiel zu nennen, Rabbiner Jaakow Emden, eine rabbinische Autorität aus dem 18. Jahrhundert, dazu gebracht, sich für eine Abschaffung dieses Brauches einzusetzen. Mit geringem Erfolg (leider), denn er fand keine Unterstützer.

Eines seiner Argumente war unter anderem, dass, wenn die Menschen keine Kitnijot mehr essen dürfen, mehr Menschen auch mehr Mazzot verzehren müssen. Eine Massenproduktion von Mazzot wäre die Folge und diese mache die Bäcker unvorsichtig und letztendlich würde das Verbot von Kitnijot so zum Verzehr von echtem Chamez führen.

Rabbiner Schmuel aus Falaise nannte es einen falschen Brauch und Rabbiner Jerucham gar einen törichten Brauch.

Dennoch ist aus diesem Brauch im Laufe der Zeit verbindliche Halachah geworden, trotz des Widerstandes einiger bekannter Rabbiner und des unklaren Grundes und der Tatsache, das sefardische Juden diesem Brauch nicht folgen.

So ist der Grund des Verbots, oder sein Sinn, vollständig in den Hintergrund getreten angesichts der Tatsache, dass unsere Vorfahren seit Jahrhunderten keine Kitnijot gegessen haben. Innerhalb des modernen (aschkenasischen) Judentums setzte sich zuletzt die konservative Bewegung mit diesem Brauch auseinander und empfahl, ihn aufzugeben. Das mache das Fest nicht zu einer Belastung, sondern mache Pessach zu einem fröhlichen, vergnüglichen Fest. Ein Umbruch, tatsächlich, aber welches Fest symbolisiert mehr den Um- und Aufbruch als Pessach?