Im August 2006 gab es den Ansatz einer Diskussion um die israelische Politik in Deutschland. Nun ging dieser offene Brief selbst einigen Unterstützern der israelischen Friedensbewegung etwas zu hart ins Gericht und ohnehin ging der Zentralrat sehr hart mit ihm ins Gericht ohne dass es tatsächlich eine inhaltliche Diskussion irgendwo und irgendwann gegeben hätte. Auf der Internetseite zur „Berliner Erklärung” kann man sich den Stand der Resolution anschauen. Das wäre unproblmatisch und ein lebendiger Diskurs wäre fein, wenn er nicht in die nichtjüdische Öffentlichkeit hinausgetragen werden würde. Denn diese Art von Öffentlichkeit ist eine andere, dort spielen nicht friedensbewegte Menschen eine Rolle, sondern auch welche, die noch eine Rechnung mit den Juden oder dem Staat Israel (als Jude unter den Nationen) offen haben. Henryk Border zitiert wiederum Doris Kalveram, die auf einer Veranstaltung mit Dr. Rolf Verleger zugegen war und die Dynamik im Publikum beobachtete:

Erst als ein DGB Vertreter freimütig bekannte, nicht das geringste Gefühl von Scham angesichts der deutschen Verbrechen zu verspüren, antwortete Rolf Verleger ungewohnt intuitiv : “Bedauern sollten Sie schon!” Keine Regung bei jenem unverstandenen Gewerkschaftsfunktionär, der seine Berufung darin sieht, mit allen Mitteln der Agitation Israel zu bekämpfen. In dem Moment wurde die Instrumentalisierung des jüdischen Mitstreiters zum nützlichen Idioten deutlich. Solange er Israel anklagt, ist seine Meinung brauchbar, soweit seine emotionale Anteilnahme den diskriminierten Palästinensern gilt, wird sie honoriert, alles andere interessiert nicht. von hier

Wenige Monate später gibt es in Großbritannien eine ähnliche Debatte, dort haben 130 jüdische Intellektuelle, darunter der Literaturnobelpreisträger Harold Pinter, der Historiker Eric Hobsbawm, der Regisseur Mike Leigh, der Schauspieler Stephen Fry und die Designerin Nicole Farhi Anfang Februar auf der Webseite des Guardian eine Deklaration der Independent Jewish Voices veröffentlicht:

We are a group of Jews in Britain from diverse backgrounds, occupations and affiliations who have in common a strong commitment to social justice and universal human rights. We come together in the belief that the broad spectrum of opinion among the Jewish population of this country is not reflected by those institutions which claim authority to represent the Jewish community as a whole. We further believe that individuals and groups within all communities should feel free to express their views on any issue of public concern without incurring accusations of disloyalty. von hier und weiter

Die Süddeutsche schreibt heute dazu:

Allerdings drücke der Ausschuss nur die “überwältigende” Meinung aus, dass man Israel unterstützen solle und nicht jeden Zug seiner Politik kommentieren. Die israelische Zeitung Haaretz sieht die “Stimmen” ohnehin als Beweis dafür, dass die Leugnung des Existenzrechtes Israels inzwischen im höflichen Diskurs angekommen ist: In Großbritannien sei “ein schockierender Anstieg antisemitischer Gewalt” zu beobachten, der jedoch ignoriert werde, da die Übeltäter “fast alle aus der “muslimischen Gemeinschaft” stammten. Das Echo auf die “Stimmen” ist jedenfalls enorm. In einer Woche liefen auf der Guardian-Blog-Seite “Comment is free” gut 2000 Einträge ein, lobende, ablehnende, leidenschaftliche. Es dürfte noch einige Zeit vergehen, bis die Debatte in Deutschland, wo sie ebenfalls immer wieder mal aufglimmt, eine solche Dimension annimmt. von hier

Das Ausmaß ist also ein völlig anderes und die Voraussetzungen gänzlich andere. In Großbritannien gibt es 1. eine größere jüdische Gemeinschaft und 2. keine Bevölkerung die mit ihrer Vergangenheit hadert und das wiederum der jüdischen Gemeinschaft anlastet… es ist also keine Frage der Zeit, bis diese Diskussion so wie in Großbritannien in Deutschland geführt werden kann. Sie wird schlicht und einfach nie in diesem Rahmen stattfinden.