Synagoge von Algiers Synagoge von Algiers

„Juden wollen keine Synagoge in Potsdam” titelte die tageszeitung. Eine Überschrift die aufmerken lässt, aber im einleitenden Text wird es konkreter:

Zentralrat stellt sich gegen Projekt für neues Gotteshaus, weil die brandenburgischen Gemeinden hoch verschuldet sind. Vor Ort ist man entsetzt und verweist auf die Möglichkeit, Neubau und Betrieb mit Spendengeldern zu finanzieren. von hier

Die Geschichte ist scheinbar kurz erzählt: In Potsdam soll eine neue Synagoge gebaut werden, der Landesverband der jüdischen Gemeinden hat aber kein Geld, aus diesem Grund sieht der Zentralrat keine Möglichkeit ein 3-4 Millionen Euro teures Projekt zu unterstützen:

Stephan Kramer begründet seine Ablehnung des Potsdamer Projekts mit der finanziellen Situation der sieben jüdischen Gemeinden in Brandenburg. “Sie haben oft so wenig Geld, dass sie am Tropf des Zentralrats hängen”, sagte Kramer gestern der taz. “Egal ob es um Büromaterial oder Deutschkurse für eingewanderte Juden geht, die Gemeinden müssen immer wieder bei uns anfragen, weil sie sich die einfachsten Dinge nicht leisten können.” In einer solchen Situation eine teure Synagoge nur für Potsdam zu bauen, spotte “der Situation der Gemeinden in Frankfurt an der Oder und anderswo im Land”. auch von hier

Gehen wir mehr in die Tiefe und schauen, wer das Projekt vorantreibt:

Die Befürworter der Synagoge um Horst-Dieter Weyrauch finden solche Äußerungen “äußerst empörend”. 2005 hat Weyrauch den Bauverein Neue Synagoge Potsdam gegründet, seitdem versucht er, das Geld für ein G-tteshaus aufzutreiben. 3 bis 4 Millionen Euro soll der Neubau kosten. Der Protestant Weyrauch kümmert sich seit acht Jahren als Beauftragter der Stadt Potsdam um die Beziehungen zwischen der jüdischen Gemeinde und der Stadtverwaltung. von hier

Die treibende Kraft hinter dem Neubau ist also gar nicht selber Mitglied der jüdischen Gemeinde, wünscht sich aber dennoch einen Neubau und zwar einen richtigen - also orthodox:

Denn im Potsdamer Abraham-Geiger-Kolleg werden liberale jüdische Rabbiner ausgebildet. Orthodoxe oder konservative Juden könnten sich weigern, in einem Raum zu beten, der de facto zu diesem liberalen Kolleg gehört. “Diese Lösung ist problematisch, weil sie als Parteinahme für eine Strömung im Glauben verstanden werden könnte”, sagt Horst-Dieter Weyrauch vom Bauverein Neue Synagoge. von hier

Kramer hatte nämlich vorgeschlagen, dass das Abraham-Geiger-Kolleg um einen entsprechenden Komplex erweitert werden könnte, um vorhandene Ressourcen zu nutzen und derlei Bauten für Beter geschaffen werden und nicht um ein Zeichen für irgendetwas zu sein. Das ist ein Phänomen der Zeit, dass vorhandene finanzielle Mittel nicht in eine Art „Outreach” zu stecken um mehr Juden für ihre Religion zu begeistern und eine soziale und religiöse Infrastruktur zu schaffen, die viele Aspekte observanten jüdischen Lebens erst möglich machen (sei es nach liberaler, konservativer oder orthodoxer Auslegung). Das meint wohl auch die Halachah, wenn sie vorschreibt, der Bau einer Mikweh sollte den Vorzug vor dem Bau einer Synagoge haben. Einen Trend dahin sehe ich zum größten Teil bei orthodoxen und progressiven Gruppen die sich außerhalb, oder teilweise außerhalb, der Einheitsgemeinden organisieren. Synagogen ohne Beter gibt es schon zu genüge. Man verändert lediglich die Dimensionen des leeren Raums… In Potsdam erwartet man jedoch geradezu messianische Zeiten: „Die Angst vor einer Spaltung der Gemeinde scheint berechtigt, weil als neue Mitglieder zumeist konservative Juden aus Osteuropa erwartet werden.von hier”. Wer die Situation kennt, wird sich fragen: Woher kommen die Leute? Wo habt ihr die entdeckt? Wie können wir welche kriegen? Es ist ja nicht so, als würden die neuen Gemeindemitglieder sich nicht für Religion interessieren, es gibt nur kaum Leute, die ihnen das in smarter Art und Weise nahebringen können oder wollen. Außerhalb des Judentums gibt es viele religiöse Angebote, die auf die Menschen niederprasseln und einige werden auch wahrgenommen - leider.

Kleines Update: (02.01.2007) Auch Jüdisches Berlin widmet sich nun dem Thema:

Solche und ähnliche Geschichten gibt es quer durch Deutschland in den letzten fünfzehn Jahren. Menschen und Aktivitäten sind für jüdisches Leben viel wichtiger als ein Synagogengebäude. Ein Synagogenbau bindet auch sehr viele Energien. Und da darf man sich durchaus fragen, ob die nicht anders besser eingesetzt wären.

Und gelegentlich kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es einzelnen Aktivisten darum geht, sich ein Denkmal zu setzen. Welche Motivation treibt sie? Welches Anliegen haben sie? Warum sind es in diesem Fall vorwiegend Nichtjuden, die auf den Plan treten? Leah Rosh, die als Nichtjüdin immer wieder den Eindruck vermittelt im Namen von Juden zu sprechen, meint sich zu dieser Frage äußern zu müssen. Eine Strategie um sich wieder mal ins Gespräch zu bringen?