So wie die Überschrift dieses Beitrags lautet, hätte der lange Titel-Artikel des SPIEGEL lauten müssen, denn der ist eigentlich eine Abhandlung darüber, wie ungut das Judentum ist. Wer die Möglichkeit hat, sich einen SPIEGEL auszuleihen, sollte das tun, kaufen aber bitte nicht. Zudem enthält der Artikel den G-ttesnamen in christlicher Interpretation…
Der Artikel heißt G-tt kam aus Ägypten und soll wohl die christlichen Leser des SPIEGELs pünktlich zu Weihnachten in die Wunderwelt der Bibel einführen, in erster Linie durch Dekonstruktion. Bemerkenswerterweise hat er das schon in der Weihnachtsausgabe 2002 (Nr. 51/2002) versucht. Damals mit dem Artikel Der Leere Thron, in dem er schreibt:
Moderne Bibelkundler klopfen schon seit längerer Zeit wie mit der Abrissbirne gegen das Alte Testament. Sichtbar wird ein Gespinst aus Legenden.
Ziel des Artikels war es wohl, die Historizität der Patriarchen in Frage zu stellen, dann des Auzug aus Ägypten, schließlich die Landnahme der Stämme Israels, König Schlomoh und die Erfindung HaSchems.
Worum geht es diesmal? Grundthese von Autor Matthias Schulz ist verknappt folgende: Der ägyptische Pharao Enchaton (13511334 vor allgemeiner Zeitrechnung) habe den Monotheismus erfunden (was so auch nicht ganz uneingeschränkt richtig ist), dass hätten die Juden dann übernommen und zu einem Herrschaftsinstrument ausgebaut. Er beruft sich dabei auf Prof. Jan Assmann, der bisher eigentlich andere Theorien formulierte, als diejenige die uns im SPIEGEL präsentiert wird. Assmann zog Vergleiche zwischen dem Gedankengut des israelitischen Monotheismus und dem Monotheismus des Echnaton, räsoniert über die Eigenart der Menschheitsgeschichte, dass bestimmte Themen in allen Kulturen präsent sind. Er nennt dies das kulturelle Gedächtnis (Jan Assmann, Moses der Ägypter. Hanser, München 1998 ).
Waren die bisherigen SPIEGEL-Artikel von Schulz zu diesem Thema manchmal etwas unklar in der Darstellung der Fakten, so dreht Schulz diesmal richtig auf und stellt das Judentum als Religion der seltsamen Riten und ekelhafter Herkunft dar - der Judaismus kommt hier nicht besonders gut weg:
Schließlich besiegelten die Priester den Bund mit G-tt mit einem heiligen Akt, aus dem ebenfalls Gewalt spricht. Sie beschnitten alle männlichen Säuglinge am achten Tag. Der Mohel nahm das Baby, ritzte mit dem Fingernagel dessen Vorhaut ein und riss sie ab - ein blutiges Attentat, das sich wie ein Mal in den Körper einbrannte. Aus DER SPIEGEL, Nr. 52 vom 22.12.2006, Seite 116
Zuvor heißt es, auf Seite 114
In diesem düsteren Kultbau auf dem Zionsberg (wo heute die die Aksa-Moschee steht) liefen einst alle Fäden zusammen. Bärtige Priester mit Kleidern, an denen blaue Kordeln hingen, liefen in dem Gemäuer umher. Sie schlachteten Stiere. Bei einem der Riten benetzten sie ihre Ohrläppchen mit Widderblut. Mit der Wahrheit nahmen es die bigotten Anhänger des Ewigen allerdings nicht so genau.
Über die Torah heißt es wenige Zeilen später:
Dabei entstand eine Camouflage, eine Art Märchenbuch, das wie eine Zwiebel aus Hunderten von alten, immer wieder umformulierten Schriften und Überlieferungssträngen besteht. Die Bibel - ein Labyrinth. … Ein Klima der Unterwürfigkeit, ja der Furcht geht von diesem Überwesen des Alten Testaments aus. Emunah (Treue) heißt das hebräische Wort für Glauben. G-tt gebärdet sich wie ein eifernder Liebhaber. Er schließt eine Ehe mit dem auserwählten Volk und fordert absoluten Verlass. Der semitische G-tt, so sah es der Psychologe Bruno Bettelheim, war schlimmer als selbst die schrecklichsten G-ttheiten der Naturvölker.
Der Artikel enthält viele weitere Nettigkeiten über die Entstehung des Judentums, den Mann Mosche und die Torah - weil wir uns ja alles gefallen lassen müssen. Wissenschaftliche Publikationen zum Thema, die mit Argumenten und Fakten Theorien erstellen, sind durchaus interessant und sollten gelesen werden, aber der Artikel von Schulz spricht eine andere Sprache. Für die Herkunft der Juden zieht er ausgerechnet Manetho heran (der von Antisemiten aller Generationen immer gern zitiert wurde). Dieser berichtete, dass angeblich 80 000 Aussätzige in der Wüste Zwangsarbeit verrichten mussten und sich in einer Leprakolonie um einen Führer namens Mose versammelten…
Möglicherweise hat ja jemand Zeit einen Leserbrief zu schreiben, ich werde es machen.
Übrigens, schon 2003 setzte sich die ZEIT, schon mit Jan Assmann auseinander und veröffentlichte eine Rezension seines Buches. Diese kann man hier finden.