Man muß einfach zum Zyniker werden, angesichts der jüngsten Ereignisse deren Berichterstattung allein schon fragwürdig ist. Ach ja richtig, es geht um die neue hässliche Waffe der Kombattanten in Gaza die sich gegen die eigene Bevölkerung richtet und ein wenig auch gegen Israel: Menschliche Schutzschilder. Selbst in der Wikipedia findet man unter Menschlicher Schutzschild eine sachliche Definition:

Ein menschlicher Schutzschild ist das Platzieren von Zivilisten in der Nähe oder vor einem militärischen Ziel. Dabei werden die Zivilisten wissentlich oder unwissentlich so platziert, dass sie im Falle eines Angriffs verletzt oder getötet werden. Es ist vorgekommen, dass die Menschen dazu angekettet wurden. Die Gegenpartei kann den menschlichen Schutzschild entweder selbst sehen oder wird darüber informiert. Mit einem menschlichen Schutzschild können entweder einsatzbereite Waffen oder Nachschub ‘gesichert’ werden. Menschliche Schutzschilde gelten als besonders grausame Art der Kriegführung, da Zivilisten einem sehr hohen Risiko ausgesetzt werden. Die Angreifer stehen dabei vor der Wahl, entweder Zivilisten umzubringen oder von einem Angriff auf das militärische Ziel abzusehen - mit den möglichen Folgen. Die Zivilisten können dabei nicht nur von der anderen Kriegspartei sein, sondern sogar von der eigenen Partei. Da ihr Tod billigend in Kauf genommen wird, wird aus dem Einsatz menschlicher Schutzschilde häufig der Schluss gezogen, dass in deren Kultur ein Menschenleben einen geringen Stellenwert besitzt. Die Debatte um menschliche Schutzschilde ist daher ein Mittel der psychologischen Kriegsführung. Menschlicher Schutzschild

Doch kommen wir zunächst zurück zur Berichterstattung darüber. Wie schon mal erwähnt, bin ich nämlich immer erstaunt darüber, wieviele Journalisten sich meines kleinen Leitfadens bedienen, um ihre Berichte zu verfassen. So erschien auf SPIEGEL-online ein Text zu den Ereignissen, der irgendwie die Realitäten durcheinanderwürfelte:

Unter Einsatz ihres Lebens haben Hunderte Palästinenser in Gaza einen Luftangriff auf das Haus eines Extremisten verhindert: Nachbarn und Demonstranten verschanzten sich in dem Gebäude - die israelische Luftwaffe brach den Angriff daraufhin ab.

Nur um das einmal zu analysieren: Wenn SPIEGEL-online schreibt, die als Schutzschild agierenden Personen handelten „unter Einsatz ihres Lebens”, so wird doch schon impliziert, die israelische Armee ginge mit dem Leben unbeteiligter bzw. ziviler Personen leichtfertig um und töte in der Regel einfach große Massen von Menschen. Dabei war den Organisatoren des Spektakels durchaus bewußt, dass die israelische Armee genau dies nicht tut. Ob der Beschuß von Sederot aufhören würde, wenn sich da eine Menschenkette bildet? Nein: Zivile Opfer sind ja das Ziel der Raketen die da Tag und Nacht blind auf israelisches Territorium abgefuert werden. Wenig später wird der Ort wieder als Flüchtlingslager bezeichnet, was irgendwie das Bild eines provisorischen Status der Lebensverhältnisse und insbesondere der Behausung, evoziert. Wenn wir aber die Bilder sehen und die Berichte lesen, dann sehen wir und lesen wir von einem Dach auf dem 300 Menschen stehen können. Ein recht großes Zelt, oder eine recht große Hütte müsste das sein. Nein. Hier stehen Häuser, recht große sogar.

Die NZZ beschrieb die Aktion und ihren Hintergrund etwas detaillierter:

Die Menschen strömten zum Haus eines Palästinensers, nachdem dieser von den israelischen Streitkräften zum Verlassen des Gebäudes aufgefordert worden war. Diese Warnung geht in der Regel Luftangriffen voraus, um zivile Opfer zu vermeiden. Die Menge skandierte antiisraelische und antiamerikanischen Parolen. Der Bewohner des Hauses in Beit Lahija soll bei einer Extremistengruppe für die Herstellung von Raketen verantwortlich sein, die auf Israel gefeuert werden. Ein ranghohes Mitglied der regierenden Hamas führte die ungewöhnliche Protestaktion an, die auch live im palästinensischen Fernsehen übertragen wurde. Nach der Protestversammlung rief das Volkswiderstandskomitee die Bevölkerung dazu auf, fortan mit ähnlichen Aktionen menschliche Schutzschilde zu bilden und somit angekündigte Luftangriffe von Israel zu verhindern. von hier

Im TV wurden übrigens auch Jugendliche und Kinder gezeigt, die dort oben standen und Parolen skandierten. Wie Wikipedia auch schon schreibt, dienen die Menschen als Schutzschild für ein militärisches Ziel. Sie schützen mit ihren Leben das Haus von Mohammed al Baroud, Mitglieder Volkswiderstandskomitees, mutmaßlich war er an der Entführung der israelischen Soldaten beteiligt und soll dort (in seinem Haus) auch an Raketen gebastelt haben. Die Süddeutsche Zeitung feiert diesen Akt als „gewaltlosen Widerstand”, der „den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt durchbrochen” habe. Das würde ja bedeuten, es flögen keine Raketen mehr auf israelisches Gebiet: Ausgezeichnet!

Den nicht enden wollenden Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt haben nun erstmals palästinensische Zivilisten durchbrochen. Am Wochenende versammelten sich mehrere hundert Palästinenser vor dem Wohnhaus eines Hamas-Mitglieds, das von Israels Luftwaffe bombardiert werden sollte, woraufhin die Armee den geplanten Beschuss absagte. Es gab also weder Tote noch Verletzte. von hier

Zudem schreibt Thorsten Schmitz

Ausgerechnet die Palästinenser haben nun dem militärisch überlegenen Israel gezeigt, wie entwaffnend der Nicht-Einsatz von Gewalt und wie effektiv ein Schutzschild sein kann. Olmert sollte nicht länger auf die Macht der Waffen setzen und nun endlich Gespräche mit der Palästinenser-Regierung aufnehmen - und die Palästinenser sollten eine Koalitionsregierung bilden, die Israels Existenzrecht anerkennt.von hier

Keine Angst Herr Schmitz, es werden sich schon noch Hardliner finden, die den Beschuß von Sderot fortsetzen und damit alle anderen Palästinenser in Geiselhaft nehmen… Wer die (oft beschworene) Gewaltspirale durchbrechen will, der sorgt dafür, dass die Angriffe auf israelisches Gebiet aufhören und denkt sich nicht ständig neue Ausreden dafür aus! Der gewaltlose Schutz von Waffen ist schon ein ziemliches Kuriosum und ein neues Dilemma das ganz gut dokumentiert, dass die Extremisten auf palästinensischer Seite gerne das Leben ihrer Landsleute opfern. Erfreulicher wäre es zu hören, dass irgendwelche Menschen dort den Abschuß weiterer Raketen verhindert hätten, um die Gewalt endlich zu beenden.